Der große Treck

Nach einigen Veränderungen im Timing dieses Jahres bin ich endlich aufgebrochen, mit Fahrrad und Velostudio eine Fotoreise zu machen. Ich möchte heure die Serie über vergessene Autobahnbrücken abschließen und habe mir als ‘Krönung’ der Reise eine Brücke in Tschechien ausgeguckt. Um dort hin zu kommen gilt es, nur 740 Kilometer zu überwinden.

Wie es die Tradition will, gibt es am ersten Reisetag Regen - und wie es sich für meinen privaten Roadmovie gehört, läuft natürlich nicht alles perfekt. Auf meinem Weg nach Unna stelle sich ein aufdringliches Schleifgeräusch aus Richtung des Anhängers ein. Anscheinend irgendwas im rechten Radkasten. Wenn der reifen irgendwo schleift, bedeutet das nicht nur vorzeitigen Verschleiß, sondern auch erhöhten Energieaufwand bei der Fahrt. So gab es bei einem Baumarkt in Unna einen außerplanmäßigen Halt bei einem Baumarkt. Im offenen Radkasten zeigt sich das blank gescheuerte Gewinde einer hervorstehenden Schraube - und passen dazu war das Profil des Reifens an der entsprechenden Stelle weg gerubbelt. Leider verleiht der Baumarkt keine Werkzeuge. So wurde die Reparatur durch eine frisch gekaufte Feile und hingebungsvollem Schrubben unter beengten Bedingungen durchgeführt. Nach einer halbe Stunde Gefeile war das Gewinde und ein Teil der darauf sitzenden Mutter herunter gefeilt. Der Einsatz hatte sich gelohnt - jetzt gab es keine nervenden Geräusche mehr. Leider hat mich die Reparatur zwei Stunden Zeit gekostet die ich mal besser gefahren wäre. Zusammen mit dem zu späten Aufbruch heute Morgen werde ich mein Tagesziel mit Sicherheit nicht erreichen. Aber, egal, jetzt geht es erst mal weiter.

Das nasse Wetter hat viele Schnecken auf die Wege gelockt und ich habe meine Not, zumindest die Schnecken mit Häuschen auf dem Rücken nicht platt zu fahren - eine ziemliche Herausforderung wenn man sich, so wie ich, auf drei Spuren bewegt. Auf dem Aleenradweg - einer ehemaligen Bahntrasse von Unna Königborn nach Welver hat sich bei einer kurzen Pause sogar eine kleine Weinbergschnecke für die Stelle der Kühlerfigur beworben :-)

eine kleine Weinbergschnecke sitzt auf dem vorderen Schutzblech meines Fahrrads

Kurz vor Welver bog mein Weg dann Richtung Lippstadt auf - von der Tageszeit her stellte sich die Frage, wo ich wohl die Nacht verbringen würde - wie das Handy behauptete, auf jeden Fall nicht auf einem Campingplatz, denn in bewegte mich gerade in ein Gebiet in dem es so gar keine Campingplätze gab.

in Herzfeld kam ich an einem Hof vorbei der damit warb das man dort Campieren könne - anscheinend eine Party-Location. Dort war aber weit und breit Niemand. Steckdosen hätte es wohl gegeben, aber die waren natürlich abgeschaltet. Auf dem Gelände fand ich verschiedene Klingeln zu Wohnungen, aber auf keine kam eine Reaktion. Das wenig sonnige Wetter hatte wenig Stromertrag gebracht und ich war zu allem Überfluss auch mit einer zu hohen Unterstützung durch das e-bike gefahren - so waren die Batterien kurz davor, sich abzumelden. Ich fuhr weiter in den Ort - vielleicht gibt es ja einen Wohnmobilstellplatz im Ort. Dort fand sich aber auch nichts. Direkt daneben war Hovestadt. Dort setzte ich meine Suche fort - auch hier nichts zu finden.

Zuletzt fragte ich bei einem Hof ob ich dort die Nacht über an eine Steckdose kann - leider ging es auch dort nicht. Aber der Mensch mit dem ich sprach beschrieb mir den Weg zu einem Hof, ganz in der Nähe, wo ich ganz bestimmt stehen und meine Batterien laden könne.

So batterieschonend wie möglich machte ich mich auf den Weg dort hin - mit nur 100 Watt Unterstützung war das eine ziemliche Asterei. Als ich gut eineinhalb Stunden später am Ziel ankam, stand ich wieder vor dem Spaßbauernhof in Herzfeld und natürlich war dort immer noch niemand. Mir blieb keine andere Wahl als mich vor dem Fahrradständer für die Nacht niederzulassen und auf das Erscheinen von Menschen zu hoffen. Im Internet konnte ich recherchieren das man dort Montags und Dienstag Ruhetag habe - Mir blieb die Hoffnung, ab dem nächsten Morgen an Strom zu kommen.

Spät am Abend kam tatsächlich eine Person zu dem Hof - die fragte ich um den Zugang zu den Steckdosen. Nach einem anfänglich recht feindseligen Gesprächsverlauf - es wurde erst mal davon ausgegangen das ich erwartete, den Zugang zum Strom umsonst zu bekommen, bekam ich dann tatsächlich gegen Zahlung der Gebühr für eine Übernachtung die Steckdosen frei geschaltet - aber, wie sich später herausstellte, nicht den Zugang zu den Toiletten. Na, ja, das ist ja alles eine Frage der Körperbeherrschung…