Königslutter

Fünfter Tag - Von Königslutter bis kurz vor Burg: 80 Kilometer

Für die Nacht war für Deutschland Unwetter und Sturm vorher gesagt worden. In der Tat wurde ich mitten in der Nacht auch von Blitz und Donner geweckt. Der Wind rauschte ordentlich im Nussbaum und es sah so aus als wenn es gleich ungemütlich würde. Es hat in der Folge aber nur ein bisschen geregnet. Die Unwetter sind anscheinend weit an meinem Standort vorbei gezogen - der Lärm des Donners hat aber auch schon gereicht um mich zu beeindrucken.

Ich wurde in der Früh von Zwitschern der Schwalben geweckt - die Kollegen waren also schon wieder bei der Arbeit. Ich habe mich dann auch daran gemacht meine Sachen wieder in die Taschen und ans Fahrrad zu bringen und das Zelt zusammen zu legen. Auf dem Hof selbst war noch alles still - wenn man mal von der Anlage absieht die die geerntete Gerste kühlt. Ich wollte mich gerade daran machen in den Tag aufzubrechen, da hatte mich mein Gastgeber entdeckt und bot mir noch einen Abschiedskaffee an - wer kann da schon 'nein' sagen...?

Es kam noch ein kleiner Plausch darüber auf wie man am schlauesten nach Helmstedt fährt und was ich mir drigend auf meinem Weg über die ehemalige Grenze anschauen solle.

Mit dem Wunsch, ich möge gut behütet unterwegs sein wurde ich in den Tag entlassen - das war bis jetzt der herzlichste Aufenthalt auf meiner Reise.

Die Universität in Helmstedt

Nachdem ich den Tipp dazu bekommen hatte wurde in Helmstedt natürlich die Universität besucht - ihres Zeiches die erste evangelische Universität Deutschlands angesehen. Sie hat in Lauf der Geschichte leider an Bedeutung verloren und dient heute als Volkshochschule - leider war sie zum Zeitpunkt meines Besuchs leider geschlossen.

Ich habe in dem Ort noch ein Frühstück/Mittag eingelegt und bin dann weiter zum ehemaligen Grenzübergang geradelt. Interessanterweise führt der Weg dahin über die Auffahrt zu A2 - es ist schon ein lustiges Gefühl mit einem Fahrrad auf einer Autobahnauffahrt Anlauf zu nehmen um dann kurz vor der Autobahn in die Einfahrt zum Zoll abzubiegen.

finde den Fehler im Bild ;-)

Das ist jedenfalls der Weg wenn man zum ehemaligen Grenzübergang kommen will - er führt direkt auf den Autobahn-Rastplatz Helmstedt. Heute machen da viele LKW Rast und erledigen ihre Zollformalitäten - die Fahrer haben mich und mein Rad die ganze Zeit neugierig beugt.

La voûte des mains

Man darf des Rastplatz Helmstedt nicht mit der Gedenkstätte Marienborn verwechseln. Auf dem Rastplatz steht heute zwischen den LKW das Kunstwerk 'La voûte des mains' (die Wölbung der Hände) des französischen Künstlers José Castell als Andenken an die Deutsch-Deutsche Wiedervereinigung. Sonst ist da eigentlich nichts was an die Vergangenheit erinnert.

Marienborn ist ein paar Kilometer weiter östlich, zwar direkt an der Autobahn gelegen, aber tatsächlich nur über eine Bundesstraße zu erreichen. Für mich bedeutete das: durch bemerkenswert hügeliges Gelände manövrieren bis ich endlich angekommen war. Man könnte fast den Eindruck bekommen das der Grenzübergang seinerzeit absichtlich in so unwegsames Gelände gelegt wurde.

An der Gedenkstätte Marienborn angekommen kann man sich auf der Anlage weitgehend frei bewegen. An den Gebäuden sind Tafeln mit Erklärungstexten zur ehemaligen Funktion der Stationen und kleine Texten dazu wie das damals in der Realität ausgesehen hat. Einige der Gebäude kann man auch begehen und in einem Haus ist auch eine permanente Ausstellung zur Entstehung der Grenze und der Entwicklung der Grenzsicherung und welche Blüten das alles getrieben hat, bewundern.

Die Passkontroll-Halle in Marienborn

Mich hat besonders die Halle berührt in der sich früher die Autos für der Personenkontrolle stauten - als junger Mensch habe ich unter diesem Dach ein paar bange Momente gehabt und auch Dinge gesehen die einem aus heutiger Sicht abstrus vorkommen.

In den Gebäudeh hängt immer noch der Geruch von braunkohlenbasierten Aromaten und Kunststoffprodukten - er ruft bei mir augenblicklich mulmige Erinnerungen wach. Es ist schon komisch wie dominant ein solcher Geruch nach über 25 Jahren noch immer in einem Gebäude stecken kann und welchen Einfluss er auf Erinnerungen aus einer längst vergangene Zeit hat.

Apfel- und Birmbaumallee entlang der B1

Nach dem Besuch in Marienborn ging's weiter nach Mageburg. Die B1 ist auf der Strecke viel von Alleen aus Obstbäumen gesäumt die aktuell ihr Obst lustig auf die Straße fallen lassen - sicher eine Auswirkung des nächtlichen Sturms denn die Äpfel und Birnen sind noch gar nicht reif. Überhaupt ist es heute sehr windig. Der Himmel ist voller dicker Wolken die ordentlich Regen versprechen aber sie ziehen alle um mich herum. Ich habe während des Tagen nur ein paar Spritzer abbekommen. Am wichtigsten aber: es ist Rückenwind! Der Weg fiel mir heute leichter als sonst.

Bis Brandenburg komme ich durch viele Orte in denen ein sonderbares Nebeneinander von völlig verfallenen und aufs hübscheste renovierten Häuser versammelt sind. Es sind wenig Leute auf der Straße. Außer Autos und ein paar Radfahrern habe ich niemanden gesehen.

Meine Einfahrt nach Magdeburg - das Wetter verschlechtert sich...

Bei meiner Einfahrt nach Magdeburg hatte sich der Himmel aber dann deutlich mehr zugezogen - es sah nach baldigem Regen aus. Ich steuerte das Stadtzentrum an um mich um eine Unterkunft zu kümmern. Leider hatte die Jugendherberge kein Bett mehr frei - und auch sonst gab sich die Stadt voll und ausgebucht. Also fuhr ich ohne Bleibe wieder aus der Stadt heraus.

Das ich keine Unterkunft fand hat mich schon ein bisschen gefuchst denn ich hätte mir die Stadt gerne noch ein bisschen angesehen. So aber entschied ich mich beim Discounter noch etwas Lebensmittel zu schießen, meine Getränkevorräte zu ergänzen und weiter in Richtung Burg zu radeln. Je mehr Kilometer ich heute mache desto eher bin ich morgen in Potsdam bei Andreas, einem Freund der mir für ein paar Tage Verschnaufgelegenheit bieten wird. Als es Dämmerte war ich etwa 10 Kilometer aus der Stadt heraus und schaute rechts un links der Straße nach einem Gehölz etwas von der Straße zurück gesetzt das ich gut mit meinem Rad erreichen konnte und in dem ich wahrscheinlich das Zelt aufschlagen kann. Ich fand eines in einem lichten Fichtenwäldchen. Schnell habe ich meine Unterkunft aufgebaut - es hatte sich mehr und mehr zugezogen undhatte sich schnell abgekühlt. Die Taschen in den Ecken des Zeltes ersparen mir die Heringe. Heute bleibt ie Küche kalt - der Waldboden ist überall von trockenem Material bedeckt das brennen würde wie Zunder wenn ich hier meinen Benzinkocher starte. Kurze Zeit später fing es an zu regnen - das hatte ich gerade noch mal rechtzeitig geschafft...

Zeltverstecken in der Nähe von Magdeburg

Vierter Tag - Hildesheim > Königslutter: 94 Kilometer

Wer denkt das man Zuglärm mit Ohrenstöpseln erfolgreich bekämfen kann befindet sich auf dem Holzweg. Die Bahnstrecke neben der sich mein Schlafplatz befand war nahezu minütlich von Zügen befahren und jedes mal wenn einer vorbei zog wackelte und vibrierte die Erde. so habe ich eine recht unruihige Nacht hinter mich gebracht und bin heute morgen sehr zeitig aufgebrochen. Frühstück fiel etwas spartanisch aus - ich hoffte das ich im nächsten Ort eine offene Bäckerei finde.

Schon nach wenigen Kilometern kam ich an Schloss Marienburg vorbei - und an einem Erdbeerstand dessen Personal mich nachdrücklich darauf hin wies das heute der letzte Verkaufstag währe - danach würde es hier nie wieder Erdbeeren geben...

Schloss Marienburg

So kam es das das heutige Frühstück eher frugal bestimmt war - es gab Erdbeeren satt denn schließlich sollten es ja die letzten auf diesem Erdball sein.

Dann folgte ich weiter dem Radweg Richtung Hildesheim. Niedersachsen hat genau wie NRW einen Online Radroutenplaner. Obwohl das Layout sich ähnlich wie bei dem für NRW gibt war ich anfänglich von der Site enttäuscht. man kann bei Niedersachsen nicht auswählen ob man über Radwege, durch schöne Landschaft oder eben auf kürzestem Weg über Straßen geführt werden will. Wenn man aber Zwischenziele eingibt die an Straßen liegen dann führt einen der Routenplaner Niedersachsen über eine Kompromiss-Strecke - in meinem Fall entlang der B1 und über Radwege die parallel zur B1 verlaufen. (die B1 ist teilweise als Schnellstraße ausgebaut und auf diesen Abschnitten für Radfahrer nicht befahrbar.) Die Meinungen dazu was ein Radweg ist lassen in Niedersachsen auch schon mal eine 20 Zentimeter breite Sandpiste Karriere machen aber in NRW bekommt man dafüt gern mal ne Treppe in seinen Kurs mit eingebaut - da tun sie sich alle nichts,,,

Gegen elf Uhr war ich in Hildesheim - die Erdbeeren hatten sich als nicht die optimalste Grundlage für einen Start in den Tag herausgestellt und ich war froh das just an meiner Strecke eine Gastronomie war die mit Frühstück warb und offen hatte. Die offizielle Frühstückszeit war zwar schon vorbei aber ich durfte mich an dem noch aufgebauten Rest-Buffet bedienen "sie dürfen alles aufessen was da noch steht..."

Dieses attraktive Angebot konnte ich leider nicht voll ausschöpfen :-( Ich habe mir noch ein Brötchen für Unterwegs geschmiert und die Gelegenheit genutzt meine Route bis Helmstedt weiter zu planen.

Die Landschaft entlang dieser Strecke ist hügelig und landwirtschaftlich geprägt - aber wirklich sehr schön wenn man sie einfach an sich vorüber ziehen lassen kann.

Als ich in Königslutter eintrudelte war es kurz vor sechs - kurz noch beim Supermarkt die Getränkevorräte ergänzt und einen Einheimischen nach Unterkünften gefragt. Campingplätze gibt es nicht in der näheren Umgebung, aber man habe wohl einige Hotels. Das Online-Buchungsportal beschied mir das aktuell die Preise für ein Zimmer in der Stadt bei 60€ anfängen - ich entschied mich das ich weiterradeln würde und in Hinterland nach einem Platz zum Schlafen suchen würde.

Gleich der nächste Ort, Rottdorf, versprach gute Chancen auf ein Plätzchen Wiese. Also kurvte ich durch den Ort und fragte bei Leuten an deren Grundstücke ein geeignetes Wiesenstück grenzt an ob ich dort für die Nacht mein Zelt aufschlagen könne. Die Ergebnisse dieser Anfragen waren eher frustran. DIe meisten wohnten zur Miete und konnten keine solche Entscheidung fällen. Der Rest hatte unverholen keine Lust auf ein Zelt in ihrem Vorgarten. mit teilweise offenem Mißtrauen wurde ich beobachtet ob ich denn nun auch wirklich wieder aus der Einfahrt verschwinde - eine eigenartige Stimmung...

Ein ANwohner gab mir einen Hinweis auf ein Wiesenstück auf dem immer wider Leute zelten würden - man müsse nur den Besitzer fragen. Alle Menschen die an die betreffende Wiese angrenzten waren aber nicht Besitzer der Wiese und als ich endlich dessen Wohnhaus fand war da niemand zuhause. Über eineinhalb Stunden hatte ich für nichts verplempert.

Ich radelte weiter, fest entschlossen mich ins nächste attraktive Gebüsch zu schlagen. Da kam ich an einem einzeln gelegenen Landgut vorbei - ich versuchte noch mal mein Glück - und dieses mal hatte ich welches! Der Besitzer des Hofs meinte das ich bei ihm mit einer solchen Frage genau richtig sei und das er mich heute mit meinem Rad auf der B1 gesehen hätte. Im Endefekt hatte ich einen hübschen Zeltplatz mitten auf dem Hof direkt unter einem schönen Nussbaum. Ich konnte ein Bad nutzen und in der Schlachtküche des Hof mein Essen kochen. Nach der langen Suche war das echt eine Erlösung. Ich war bald fest eingeschlafen.