Ich hatte lange geschlafen - dieses mal wurde ich nicht vom Lärm der
Vögel geweckt sondern von der Wärme im Zelt - die Sonne hatte bereits
alles mobilisiert als ich um acht Uhr in den Tag startete. Meine Unterschenkel sehen verheerend aus - bevor ich aufbrach fragte
ich bei der Betreiberin des Campingplatzes nach ob sie nicht
vielleicht Sonnencreme im Shop haben. Sie war sich nicht sicher - so
zogen wir zusammen os damit sie mal nachsehen konnte. Tatsächlich
hatte sie eine Flasche Sonnenmilch mit Faktor 40 im Regal stehen. Die
habe ich dann mit besten Hoffnungen gekauft. Ich erfuhr das es
normalerweise nicht so sonnig und warm in der Gegend sei - ich habe
wirklich Glück mit meiner Reise. Vor meinem Aufbruch habe ich mich zu
allererst darum gekümmert das meine Beine auch mal Glück mit dem
Urlaub haben. Die Creme macht die roten Unterschenkel wieder weiss wie
Schnee - egal, Hauptsache die Haut kann sich von der Sonne erholen. Mein Weg nach Aberdeen hatte eine eher durchwachsene Qualität - ich
bewegte mich auf einer Mischung aus Hauptverkehrsstraßen und
Nebenstraßen - alle hatten gemeinsam das sie stark von Autos
frequentiert waren - am liebsten von Fahrzeugen die für diese Straßen
zu breit waren. Auf den Hauptverkehrsstraßen sind in der Gegend viel
Sattelschlepper mit schwerer Ladung unterwegs - wenn sich zwei von den
Teilen begegnen ist auf der Straße kein Platz für irgendwas anderes
mehr. So war ich mir meinem fahrbaren Verkehrshinderniss
verständlicherweise sehr beliebt bei den Brummifahrern. Auf den
Nebenstraßen wurde meine Situation aber nicht wirklich besser. Dort
ist die Menschheit gern mit SUV-ähnlichen Fahrzeugen unterwegs die nun
allein die gesamte Fahrbahn ausfüllen. Meine vergleichbar niedrige
Sitzposition macht es mit schwer den entgegenkommenden Verkehr zu
sehen - die Straßen sind kurvig und meist von Mauern oder Hecken
begrenzt. Also hilft nur das Gehör weiter. Ich hatte heute auf solchen
Straßen Begegnungen mit beherzten Fahrern denen nach Geschwindigkeit
und Größe ihres Wagens anscheinend nicht klar war das ihnen auch schon
mal Autos entgegen kommen könnten - Ich auf dem Fahrrad war da schon
Überraschung genug. Kurz vor Stronehaven führte mich die STrecke wieder an die Küste
zurück - dort gibt es auf einem Felsen an der Küste die Burgruine von
Dunnotar Castle. Diese Burg hat in früheren Zeiten mehrfach wichtige
Rollen in der Schottischen Geschichte gespielt - unter anderem wurden
in ihr erfolgreich die Schottischen Kronjuwelen vor den Engländern
geschützt. Als sich in der Burg schottische Abtrünnige verschanzt
hatten, die nicht die anglikanische Kirche anerkennen wollten, wurde
sie so lange angegriffen das sie anschließend nicht mehr benutzt
werden konnte. Erst im 18. Jahrhundert Beschloss Königin Victoria die
Burg zumindest teilweise wieder instand setzen zu lassen und zu
erhalten. Man muss schon sagen, das Teil ist in seiner Lage wirklich optimal
angelegt - sie muss zu den damaligen Zeiten quasi uneinnehmbar gewesen
sein. Abgesehen davon liegt sie auch landschaftlich sensationell. Auch der Ort Peterhead hat seine Reize: ein Werbebanner verkündet an
einer Imbissbude das hier der frittierte Marsriegel erfunden wurde -
ansonsten hat es hier einen wirklich hübschen Hafen... Von da ab sollte es ich wieder durch die Felder Richtung Aberdeen
führen. Die Orte trugen dort so klangvolle Namen wie 'Mud on Road'
oder 'Caution Children Playing'... Je mehr ich mich Aberdeen näherte, um so ordentlicher wurden die
Örtchen. In den Fenstern der Häuser stand mit einem mal kostspieliger
Designerkrams und wirklich dicke Autos drängten sich in den
Einfahrten. Mit einem mal hinge dort auch die 'Neighbourhood-Watch'- Schilder die mir vor zwanzig Jahren schon in London signalisierten das
jetzt Misstrauen und Angst regieren. Hier wohnen nicht mehr die Leute
die eine Bindung zu den Orten haben sondern Menschen die zu Geld
gekommen sind und sich ein hübsches Häuschen etwas außerhalb der Stadt
leisten können - ie Bringen die Angst der Städter vor Kriminalität mit
auf Land. Überflüssig, anzunehmen das ich dort ein B&B finden würde - der Himmel wurde wieder dunkler und Regen drohte. Erste
Siedlungsgebiete mit Reihenhaus- und Mietkasernenarchitektur der
Siebziger zeigte mir an das ich Aberdeen schon sehr nah war. Auch dot
gab es keine Unterkunft für mich - die räumlichen Verhältnisse dieser
Häuser lassen gar nicht die Idee an Zimmervermietung aufkommen. Ich hatte das eigentliche Aberdeen noch nicht erreicht, da wurde es
zunehmend so ungemütlich das mir die Lust am Radfahren endgültig
verging. Ich hielt nach einem Ort zum Zelten Ausschau und fand an
einem Küstenabschnitt ein Stück Wiese am Ufer das von der Küstenstraße
aus nicht einsehbar war. Daneben war ein Parkplatz, zu dem der Zutritt
aber durch dicke Felsbrocken behindert wurde - zumindest der Zutritt
für Autos. Mit dem Rad passte ich gut da durch und konnte mir ein
Plätzchen fürs Zelt suchen. War nicht ganz leicht, weil überall wie
zufällig dicke Steine in der Wiese verteilt waren - aber für ein so
kleines Schloss wie das meine habe ich dann doch noch was gefunden.
Schnell stand das Zelt und ich war mit meinen Klamotten drin. Die
Sachen ausgezogen, abgetrocknet und trockene Sachen angezogen - dann
habe ich mir erst mal was zu Essen gemacht. Heute gab's Reis mit
indischer Sauce und Spiegelei. Der Kocher wurde widerrechtlich im Zelt
betrieben und hat für eine kurzfristige Hitzewelle gesorgt. Kurze Zeit
später habe ich fest gepennt. An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Gedanken zum Thema 'Wild
Campen' in Schottland anfügen. Es ist richtig, das es überall in
Schottland erlaubt ist frei zu Campen - man muss allerdings schon
recht erfindungsreich sein wenn es darum geht einen Platz zu finden -
die Felder sind oft ummauert oder hoch umzäunt und die Tore fest zu,
so das man seinen Plundern schon rüberwerfen müsste um da zu Campen -
abgesehen davon stehen überall Tiere rum - Kühe und Pferde sind so
erkundungsfreudig das sie auch schon mal ein Zelt zerlegen können -
was Schafe so drauf haben möchte ich gar nicht erst ausprobieren. Natürlich kann man auch bei einem Bauern Klingeln und fragen ob man
bei ihm Campen darf - es muss halt nur eine Klingel montiert und
jemand Zuhause sein. Vielleicht fehlt mir die nötige Geduld, aber ich
bin nicht in Schottland unterwegs um endlos um Bauernhöfe auf der
Suche nach deren Bewohnern herumzuhopsen. Es macht schon den Eindruck
das subtile Zeichen signalisieren sollen was die Leute hier von der
offiziellen Regelung mit dem Zelten halten. Da passt mein Eindruck zu
dem Küstenabschnitt für die heutige Nacht nahtlos ins Bild. Aber ich
hatte ja mein Plätzchen gefunden...
Dunnotar Castle - wo die Schotten ihre Krone versteckten