Deutlich übernächtigt bin ich um sieben Uhr Morgens aus der Lobby des
Hotels herausgestolpert um mir ein Frühstück zu schießen. Meine Wahl,
weil schon offen und nicht nur süßes Zeug, fiel auf einen Laden der
damit warb das alle Produkte vor Ort frisch und ohne
Konservierungsstoffe zubereitet werden. Ich hatte die Gelegenheit
dieses Konzept näher zu beobachten weil ich noch etwas Zeit bis zu den
Ladenöffnungszeiten zu überbrücken hatte. Männer in Strumpfmasken (sie hatten tatsächlich statt eines
Mundschutzes etwas vor dem Mund das stark an Muttis alte Strumpfhosen
erinnert) kamen regelmäßig mit Tabletts durch eine Tür und räumten
Dinge in die Verkaufsregale die von der Menge her tatsächlich frisch
zubereitet sein konnten. Allerdings hatten diese Dinge dann wieder
große Ähnlichkeit mit genau den Artikeln die man woanders fabrikmäßig
abgepackt genau so bekommt. Wahrscheinlich lassen sich die Sachen
nicht offen verkaufen bzw. werden von den Kunden, die eine bestimmte
Erscheinung der Produkte gewohnt sind, sonst nicht angenommen. Fruchtsalate und Salate wurden vom Personal aus bis dahin
verschlossenen Pappkartons in ihren verschweissten Klarsichtschalen
frisch ins Regal geräumt - die Klamotten sind bombensicher nicht
frisch vor Ort zubereitet worden - also zumindest nicht an diesem Ort... Ich hatte mit inzwischen aus dem Netz ein paar Fahrradhändler
herausgesucht und mir vor genommen sie nach Öffnungszeit sortiert
aufzusuchen. Der erste winkte gleich ab - er könne vor dem fünften
Juli keine Reparaturaufträge annehmen. Zum Glück wollte ich von ihm ja
nur eine Einschätzung ob es in Schottland für meine Schaltnabe
überhaupt Ersatzteile geben würde. Das darauf folgende Gespräch hatte
einen etwas bizarren Verlauf. Er ging felsenfest davon aus das ich auf
jeden Fall mit meiner Schaltnabe weiter fahren bzw. sie repariert
haben wolle - es gelang mir erst am Ende ihn nach mehreren Anläufen
auf den Dreh zu bringen das ich eine schnelle Lösung brauchte um so
bald wie möglich weiterzufahren. Süß war in dem Zusammenhang seine
Idee, ich solle mir doch das benötigte Teil im Internet bestellen und
bis zum folgenden Tag an meine Adresse schicken lassen - wie jetzt? In
Aberdeen? Ich hatte ja noch nicht mal ein Bett, geschweige denn, eine
Adresse... Ich hatte schon geahnt das das gute alte Stück von Sachs in Schottland
unbekannt sein dürfte. Außerdem hatte sich dieser Händler auf
Rennräder mit 28 Zoll Laufrädern und größer spezialisiert. Er schickte
mich zu einem Laden der mit Sicherheit Räder in den von mir benötigten
Maßen herumhängen hatte - - war zwar ein bisschen weiter draußen, aber
sie hatten tatsächlich das von mir Gesuchte da - ein Laufrad für die
Aufnahme eines Zahnkranzes mit sieben Ritzeln. und sie hatten sogar
noch ein Ritzel mit einer größeren Spreizung als das meine im
Geschäft. So verließ ich kurze Zeit später den Laden mit einem fertig
montierten Hinterrad mit meinem Reifen aufgezogen. Das kapute Teil
habe ich dort zurück gelassen - sicher ein Frevel, aber es kam mir zu
schwer bzw. zu kostspielig vor es wahlweise mit mir weiter auf der
Reise mit zu nehmen oder es mit der Post nach Hause zu schicken. Mit dem Bus wieder in die Stadt, das Gepäck beim Bahnhof
eingeschlossen und nur noch mit dem Rad am langen Arm zu Starbucks.
Dort hatte ich dann auch wieder Zugang zu Christophs Nachrichten, der
mit der Hilfe von Bruder Bimbo versucht hatte eine Unterbringung für
mich zu eruieren. Leider war die potentielle Kontaktperson in Aberdeen
aus der Stadt verzogen. Ich versuchte es noch mal bei den Hostels und
hatte diesmal Glück - in einem der Hostels gab es noch einen Platz in
einem lauschigen Schlafsaal - ich reservierte ihn für den Abend und
machte mich mit meinem Rad auf den Weg nach Belhalvie - das nötige
Werkzeug hatte ich ja dort zurück gelassen. Der Bus fuhr nur bis
Potterton - ab da machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Okay, es hätte
auch einen Buch nach Belhalvie gegeben, aber auf den hätte ich nicht
nur 45 Minuten sondern eineinhalb Stunden warten müssen. Das kurze
Stück könnte ich ja auch laufen... Wie schon in der Nacht zuvor hatte auch das neue Hinterrad eine
gesprächsfördernde Wirkung. Die Frage ist zu Anfang immer dieselbe: wo
ist denn der Rest? So geriet ich an der Bushaltestelle mit einem alten
Mann in eine Konversation über die Probleme Aberdeens mit der
Arbeitslosigkeit und dem Sinn oder Unsinn des Refrendums über die
Unabhängigkeit Schottlands. Es sollte sich zeigen das ich mich in der Gegend dann dann doch
weniger gut auskannte als es nötig gewesen währe um mein Ziel zu
finden. gut, das ich unterwegs eine Frau traf die mir entlang der
Straße entgegenkam. Als ich von ihr wissen wollte wie weit es denn
nach Belhalvie sei gab sie mir erst mal als Antwort das ich in der
falschen Richtung laufe... Sie hatte ganz in der Nähe ihr Auto geparkt und hat mich dann zu
meinem Ziel gefahren. Meine 'Retter' waren nicht zuhause, aber an das
Fahrrad kam ich ja so ran und jemand war so schau gewesen in der Tür
des Schuppens die Schlüssel stecken zu lassen. So konnte ich eine halbe Stunde wenn auch ein bisschen übernächtigt,
aber doch bester Laune, nach Aberdeen zurück fahren. Meine Vorfreude
auf baldige Bettruhe sollte aber nicht lange anhalten - keine zwei
Meilen nach der Abfahrt hatte ich schon den ersten Platten - nach der
Form des Lochs zu urteilen war der Schlauch wohl zwischen Mantel und
Felge eingeklemmt gewesen. Das kann ja jedem mal passieren - ich
setzte einen Flicken auf und setzte meine Fahrt fort um nicht ganz
eine Meile später wieder einen Platten zu haben. Dieses mal waren es
gleich mehrere Löcher wie auf einer Perlenschnur auf dem Schlauch
aufgereiht - was war geschehen? Nun, im Fahrradladen hatte der
Mitarbeiter vergessen ein Felgenband auf die Felge zu machen: die
Löcher waren genau an den Stellen wo in der Felge die Löcher für die
Speichen sind. dieses mal waren es gleich vier Löcher, die ich
fluchend flickte - und bei der Gelegenheit mehrere Lagen Isolierband
auf die Felge aufbrachte. Leider hat es auch das nicht gebracht - nur 300 Meter später der
nächste Platten - einer meiner Flicken wollte nicht richtig halten -
mir geht so langsam das Material aus... Letzten Endes hat mich der Weg nach Aberdeen hinein drei Stunden
gekostet - hinaus hat es übrigens nur eine Stunde gedauert. Bei einem
Fahrradladen am Wegesrand habe ich kurz vor Ladenschluss noch einen
Ersatzschlauch gekauft, den ich auch gleich einziehen konnte da genau
in dem Moment als ich den Laden verließ, der Schlauch ein viertes mal
nach gab. Ich war froh als ich meine Klamotten am Bahnhof ausgelöst hatte und
endlich beim Hostel ankam. Einchecken, Duschen und ins Bett - und
quasi sofort Einpennen. Das war der Plan - und der wurde gnadenlos
umgesetzt.
Aberdeen
Das Drängelgitter des Todes - Schottlands Antwort auf die Verkehrswende
13.06.2014: Meine Flucht aus Aberdeen
Das Hostel atmet die Victorianische Zeit - Atrium-Treppenhaus,
ordendlich Stuck unter der Decke und in der Nacht jede Menge SMS-Töne... Ich schlief in einem Saal mit 15 anderen Typen und - das hätte ich mir
ja denken können - seit meinem letzten Hostel-Aufenthalt vor 20 Jahren
hat natürlich jetzt die moderne Technik das Sagen. Ein paar meiner
Zimmergenossen lebten auf dem Standpunkt, das man auch durchaus in
einem voll besetzten Schlafsaal so tun könne als sei man allein
zuhause. Mein Bettnachbar wusste mir am anderen Morgen zu erzählen das
er mitten in der Nacht wach geworden sei weil einer der Mitschläfer
erst mal gediegen ne Dose Bier auf gemacht hätte um dann noch per SMS
seine Liebschaften zu pflegen - natürlich nicht stumm geschaltet... Das wusste mit mein Nachbar von unten (wir haben Etagenbetten) beim
Frühstück zu erzählen. Er und seine Freundin waren in Aberdeen genau
so wie ich vom Bettenmangel während der Woche überrascht worden. Sie
wusste zu erzählen das in ihrem Schlafsaal eine Frau mitten in der
Nacht laut knuspernd eine Tüte Chips verdrückt hatte... Das Hostel hat eine Große Küche und zwei Speisesäle, das Frühstück
wird aber in einem kleinen, davon völlig abgeschlossenen Bereich
serviert. Nach vorheriger Anmeldung und Bezahlung darf man in diesen
Bereich gepflegten Luxus eintauchen und trifft dort auf Menschen die
unsere Irritationen weitgehend teilen. Vielleicht ist das ja alles nur
eine Frage wo man Normalität verortet... Ich machte mich nach dem Frühstück daran, meine Sachen wieder zusammen
zu packen und das Rad zu beladen. Nach den Erfahrungen der letzten
Tage entschloss ich mich, dem ursprünglichen Verlauf des Radwanderwegs
zu folgen. So toll sind die Fernstraßen in Schottland nun auch nicht,
das man sich drauf mit einem Rad herumdrücken sollte. Mein Weg aus Aberdeen war von kleinen Hindernissen gekennzeichnet - Im
Verlauf des Weges waren umfangreiche Staßenarbeiten begonnen worden
die mich teils zu Umwegen, teils zu Geschicklichkeitsparcous zwischen
Bauabsperrungen zwangen. Es ist wohl allein meinem Willen zur Freiheit
zu verdanken das ich nach zwei Stunden dann doch den Flughafen bzw.
die Ortschaft Dyce erreicht habe - nach eigenen Auskünften eine
blühende Ansiedlung. Dort fand sich auch ein Tesco, wo ich meine
Lebensmittelvorräte ergänzen konnte. Es ging dann noch ein bisschen über Straßen weiter, dann ging der
Radwanderweg auf die ehemalige Trasse einer Eisenbahn. Es ist toll auf
einer Strecke zu fahren die nicht mehr als 5% Steigung hat - speziell
wenn man so beladen ist wie ich. Leider blieb das nicht so - endlich
hatten mich die Schotischen Hügel und die lustig über sie hinweg
führenden Landstraßen wieder. Hier zeigten sich dann auch die
Schwächen einer Schaltung die sich lediglich auf sieben Ritzel am
Hinterrad beschränkt. An den Steigungen fehlte das entscheidende
bisschend as es mir ermöglicht hätte ohne Schieben hoch zu kommen,
dafür konnte ich mich an den Gefällestrecken nur rollen lassen statt,
wie sonst, noch zusätzlichen Schwung für die darauf zwangsläufig
folgende Steigung zu bekommen. Zum Glück komme ich ja nur ein mal in
diese Gegend - da können mich dann auch gerne alle mal leiden sehen. Später traf ich wieder auf eine ehemalige Bahnlinie und alles war
wieder schöner. Noch schöner war, das diese Trasse unter anderem auch
nach Peterhead, einem der Ziele auf meiner alternativen Strecke
führte. Ich beschloss, auf diesem Verlauf zu bleiben und fuhr durch
Hochmoor-artige Landschaft, die ihre Schönheit durch die deutlich
sichtbare Erosion erhält. Wenn man bedenkt das Schottland früher
einmal komplett bewaldet war. Kelso hatte mir erzählt das der
Baumbestand zugunsten der Schafzucht gerodet worden war. Da, wo ein
mal Schafe fressen kommt dann auch kein Baum mehr hoch. In manchen
Gegenden mache sich komplette Berghänge auf den Weg ins Tal - überall
im Hochland kann man Abbruchkanten sehen die das darunter liegende
Erdreich frei legen. Bäche und Flüsse schwellen nach Regenfällen
regelmäßig so an das die Ufer und daran liegende Häuser weg geschwemmt
werden. Auch an den Küsten konnte ich sehen das das Meer sich in
letzter Zeit mehr olen kommt als sonst bei den Stürmen. Überall werden
Felsbrocken aufgeschüttet und man kann sehen das die Flut Mauern
weggerissen hat die zum Küstenschutz aufgestellt wurden. Ich muss
zugeben das meine Fotos diese Schäden an der Landschaft irgendwie
verklärt wiedergeben - es ist schon paradox das eine schlimme Sache so
schön aussehen kann. Andersrum ist es aber auch paradox das eine schöne Sache so schlimm
sein kann. Zum Beispiel die Bahntrasse von Maud nach Peterhead - toll angelegt und geschottert, aber da wo es
Kreuzungen mit Straßen gibt sind Sperren abgebracht die die Radfahrer
verlangsamen sollen - in meinem Fall sogar so, das ich jedesmal das
Gepäck abnehmen musste um durch die Sperre zu kommen. Keine Ahnung was
die Dinger sollen. Wahrscheinlich brauche irgendeine Handwerksklasse
eine Aufgabe wie 'Rohre winklig zusammenschweißen' - die Dinger wirken
ganz stark wie das Ergebnis einer solchen Beschäftigungstherapie. Gibt
es in der Gegend eigentlich keine Spielplätze die man mit
Klettergerüsten ausstatten kann anstelle die Radfahrer zu quälen? Ich fand in Mintlaw einen Campingplatz - wie auf allen Campingplätzen
wird mir zusammen mit den anderen Leuten mit Zelt eine von der
Rezeption weit entfernte Stelle zugewiesen. Das beschert mir eine
kleine Wanderschaft zum Klo - aber das ist halt so und wird mir so
sicher auch noch ein paar mal passieren. Der Campingplatz ist sauber
und die sanitären Einrichtung sind gut. Ich nutze die Gelegenheit und
wasche meine Wäsche.
der inadäquate Ersatz vom Discounter - irgendwie muss es ja weiter gehen
Mein neuer Reisebegleiter
Vorhin habe ich mich in einem Fahrradladen am Rand von Aberdeen, Halfords, Balnagask Road, Ecke Wellington Street, von meiner verendeten Schaltnabe getrennt. Es hätte weder Sinn gehabt hier nach einer Sram 3x7 zu suchen noch, sie irgendwo zu bestellen. Und die traurigen Reste mit zu Schleifen hatte ich auch keine Lust. Also habe ich mir eine Nabe für sieben Gang Kettenschaltung gesucht die die Gänge etwas weiter spreizt als es die alten sieben Ritzel taten. Das würd mir hoffentlich etwas von dem Spielraum geben den ich durch die drei fehlenden Gänge in der Nabe verloren habe. Ich setze in das Ding nicht allzu große Erwartungen. Mir reicht es schon wenn es die kommenden zwei Wochen durchhält. Das kleine Reisegepäck von gestern ist am Bahnhof im Schließfach und wird mit mir, wenn alles klappt, heute Abend mit allen anderen Sachen in ein B&B einziehen in dem ich mir ein Zimmer reserviert habe.
Sich die Nacht in der Hotel-Lobby um die Ohren schlagen…
11.06.2014: Dinge die man über Aberdeen wissen sollte
Die Nacht am Meeresufer habe ich unbeschadet überstanden - um acht Uhr
bin ich wach geworden weil ein Hund auf seinem Spaziergang das Zelt
untersuchen wollte und seine Besitzerin nach ihm rief. Ich habe dann
das Kunststück zu vollbringen versucht, meine Sachen im Zelt zusammen
zu packen während es draußen regnete. Leider konnte ich nicht das Zelt
selbst auch im Zelt zusammen packen - solche Kunststücke kann ich
leider nicht vollbringen. Also wartete ich bis eine Regenpause eintrat und habe es dann so
schnell wie möglich zusammengelegt und in die Tasche gepackt um mich
dann auf den Weg in die Stadt zu meinem Frühstück zu machen. Es sollte
sich herausstellen das die Stadt gleich hinter dem nächsten Hügel
anfing - wie dem auch sei, gestern Abend hätte ich mit Sicherheit kein
Zimmer mehr gefunden. Es fand sich ein italienisch angehauchter Kaffee-Laden im Zentrum der
Stadt in dem ich - natürlich - Kaffee, was zu Essen und WLAN fand. Gestern Abend waren ein paar meiner Sachen nass geworden und ein teil
meiner Bekleidung könnte sich auch durchaus mal eine Wachmaschine von
innen ansehen. Also war der Plan: eine Schlafgelegenheit in der Stadt
finden und anschließend nach einem Waschsalon suchen. Meine Suche nach B&B's im Gebiet der Stadt entpuppten sich als
unergiebig - alles ausgebucht. Ich habe gut und gerne 25 Adressen
ausprobiert. Bei jeder schön brav angerufen um immer dasselbe zu
hören. Ein mal habe ich gefragt warum das wohl so sei und bekam als
Antwort das die Ölgesellschaften während der Woche einen so hohen
Bedarf an Schlafmöglichkeiten haben das alles ausgebucht sei - das
währe schon seit 20 Jahren so... Ich machte noch einen Versuch bei den Hostels - die Telefonnummer die
ich anrief liess mich wissen das ich Informationen über verfügbare
Hostelplätze beim City Council im Marischial Bulding bekäme. Also machte ich mich auf den Weg dahin und fand mich unversehends in
einem bizarren Gespräch wieder in dem man mich drei mal fragte ob ich
obdachlos sei - von Vermittlung keine Spur. Da ich ja nun anscheinend
doch nicht obdachlos sei gab man mir die Nummer des Youth Hostel
Aberdeen - das sich als ausgebucht herausstellen sollte - was auch
sonst? Ich startete einen zweiten Versuch im Starbucks gleich um die Ecke -
erneut eine Stunde für Absagen verplempert. Inzwischen war es bereits
13:00. Also Strategieumstellung: ich machte mit dem voll beladenen Rad
Sightseeing in Aberden - gegen 16:00 habe ich dann das Stadtzentrum
verlassen und mich weiter auf den Weg in den Norden gemacht. Irgendwo
würde schon ein B&B auftauchen oder ich fände eben einen Platz zum
wild campen... Ich war gerade dabei die kleine Ortschaft Belhelvie zu verlassen als
mein Antrieb durchrutschte. Es ging mit dem Rad einfach nicht mehr
vorwärts. Ich stieg ab und sah das das Hinterrad auf der Achse extrem
viel spiel hatte - der Zahnradkranz wackelte richtig herum. Sollte
sich die Verschraubung der Nabe auf der Achse gelöst haben? Gleich auf
der anderen Straßenseite war ein Häuschen mit einer niedrigen
Begrenzungsmauer. Ich schob das Rad rüber, nahm die Gepäcktaschen ab
und konnte das Rad mit Hilfe des Mäuerchens auf den Kopf stellen.
Nachdem ich das Hinterrad ausgebaut hatte wurde das Drama in seiner
ganzen Größe sichtbar: die Hinterrad-Achse war gebrochen. Ich würde
erst mal überhaupt nicht mehr weiter fahren! Inzwischen war mir aufgefallen das in dem Häuschen jemand im
Halbdunkel saß der mich beobachtete - ich winkte nach drinnen und ein
alter Herr kam nach draußen. Ich erklärte mir meine missliche Lage und
nach ein wenig Hin- und Her-Verhandeln war er bereit das ich die
Trümmer meines Liegerrads neben seiner Garage abstellen und meine
nicht benötigten Gepäckstücke in seinem Schuppen einstellen durfte. Er
hatte mit Hilfe seiner Frau herausgefunden das es einen Ort weiter ein
B&B geben solle - mein Plan war, mich mit kleinem Gepäck dort
einzunisten und auf die Suche nach einem Fahrradhändler zu machen der
eine Ersatzachse für mich haben könnte. Es fand sich sogar eine Frau
die mich netterweise in ihrem Auto mit in den Nachbarort nahm. Das B&B war leider ausgebucht - die Betreiberin verwies mich auf eine
alternative Möglichkeit namens 'Avalon' die sich aber als nicht
existent herausstellen sollte - die Betreiberin hatte aufgegeben. Ich
liess ich beim Pub im Ort absetzen. Schliesslich hatte die Frau ja
ursprünglich etwas ganz anderes vor gehabt. Ich hoffte das man mir
dort weiter helfen könne - nun, versucht hat man es jedenfalls ganz
redlich, aber ein B&B liess sich wirklich nirgendwo in der Gegend
finden. So bekam ich die Beschreibung wie ich zu einer Bushaltestelle
finden kann von der aus ich nach Aberdeen fahren kann. Ich hoffte, dort einen Radhändler zu finden der mir weiter helfen
kann. Egal, wie, das würde er aber nicht mehr heute können - die
Geschäfte hatten bereits geschlossen. So begann in Aberdeen für mich erneut das Zimmer-Such-Spiel. In einem
Pub namens 'Brew Dog' Machte ich so lange fruchtlose Internet- Recherche bis die Batterien des Netbooks aufgaben - Dann begann ich
meine Wanderschaft durch die Stadt um die Hotels abzuklappern.
Vielleicht waren die Internetportale ja nicht auf dem aktuellsten
Stand oder jemand hatte kurzfristig noch eine Zimmerreservierung
abgesagt. Nach drei Stunden wusste ich das das leichte Gepäck doch
nicht ganz so leicht ist wie ursprünglich angenommen. Außerdem wusste
ich das es nirgendwo - und zwar wirklich nirgendwo - auch nur die
Anmutung eines Bettes für die Nacht geben würde. Ich eierte zurück in 'Brew Dog' und ot dem Thekenpersonal 100 Pfund
wenn sie mich zuhause auf ihrer Couch oder meinetwegen auch auf ihrem
Küchenfussboden schlafen liessen. Leider hatten die Leutchen dort
anscheinend keines von beidem. Stattdessen warf sich einer vom
Personal an den Rechner um seinerseits eine Recherche zu starten - mit
dem überraschenden Ergebnis das nirgendwo was frei war. Schade, ich
hätte mich gerne eine anderen belehren lassen. Ich habe dann noch ein paar Gäste angequatscht - es sollte doch wohl
möglich sein, fr 100 Pfund eine Couch in Aberdeen zu mieten, aber
nichts dergleichen. Ein par wollten mir mit ihrem Smartphone vorführen
wie leicht man ein Zimmer in Aberdeen bekommen kann (Ergebnis
bekannt), ein paar waren nicht aus der Stadt und der Rest wohnte noch
bei den Eltern, hatte keine Couch und/oder keinen Küchenfussboden. Der
Geruch von Verzweiflung lag in der Luft. Sollte mir als einzige Möglichkeit der Gang in ein Casino bleiben um
mir dort zwischen Glückspielautomaten die Nacht um die Ohren zu
schlagen? Ich trabte nochmals an verschiedenen Hotelrezeptionen vorbei - nein,
keine Stornierungen die mir zu einem Zimmer verholfen hätten.
Unterwegs zögerte ich nicht, Leute auf der Straße mit dem 100 Pfund- für-eine-Couch-Angebot zu konfrontieren. Erstaunlich, wie viele Leute
im fortgeschrittenen Alter bei ihren Eltern wohnen. Einer der
Befragten hatte gerade sein Haus verkaufen müssen und hatte selbst
keine Bleibe mehr - ein Anderer war schon länger ohne Dach über dem
Kopf. So latschte ich also mit meinen zwei Taschen und einem Hinterrad
weiter durch die Gegend. Zwei Taxifahrer witzelten wo denn der Rest
meines Rades sei. Als ich ihnen meine Geschichte erzählte wusste der
eine zu berichten das die Ölgesellschaften während der Woche immer die
verfügbaren Betten der Stadt in beschlag nähmen, morgen eine Konferenz
starten solle und außerdem am Flughafen ein Flug ausgefallen sei, was
die Sache noch schlimmer mache. Sie machten sich ungefragt daran mit
ihren Telefonen herumzufragen ob irgendwo noch was frei sei -
überraschenderweise fanden sie aber nichts Verfügbares. Ich hatte wenig Lust mit meiner Fotoausrüstung in der Nacht irgendwo
auf den Straßen von Aberdeen herumzusitzen und schlurfte weiter. Im
Park Inn hatte ich es noch nicht versucht - auch dort war alles voll.
Ich dürfe aber in der Lounge herumsitzen und eine Steckdose anzapfen -
und Internetzugang bekam ich auch. Vielleicht hätte ich ja Glück und
bis ein Uhr Morgens würde noch jemand seine Reservierung absagen. Um
Mitternacht stelle das Café in der Lounge der Service für Leute ein
die nicht im Hotel wohnen - Okay, dann eben nicht. Eine Zimmeroption
tat sich auch nicht mehr auf . Aberdeen sollte ausgebucht bleiben. Ich
durfte weiter in der Lobby sitzen bleiben - das war doch immerhin
etwas. Hier ist es allemal besser als in den Casinos, wo alles mit
Automaten voll gestopft ist und man bestenfalls einen Barhocker hat.
Jetzt muss es mir nur noch gelingen bis zum Morgen wach zu bleiben...
Ich will ja jetzt nicht meckern, aber das es nicht möglich ist in
dieser Stadt eine Unterkunft zu bekommen finde ich wirklich ein
starkes Stück. Überall im Stadtbild Läden auf Hochglanz poliert -
keine Fancy-Boutique fehlt, tolle Restaurants und Weinlokale - aber
eine Unterkunft finden? No Way! Die Leute mit denen ich heute zu tun hatte waren allesamt nach Kräften
hilfreich - aber hlefen konnten sie mir letzten Endes allesamt nicht.
Und die Idee, das irgendjemand einen nach Schweiß riechenden,
unrasierten Kerl mit Taschen behangen und einem Fahrrad-Hinterrad bei
sich übernachten lassen würde war ja sowieso eine Schnapsidee - da
hatte ich beim Schotten wohl zu viel Verrücktheit erwartet. Ich kann
froh sein das ich in der Hotellounge herumlungern darf. Wer jemals nach Aberdeen kommt sollte auf jeden Fall eine Buchung im
Voraus klar machen. Wenn nicht, schaut Euch die Stadt an und
verschwindet so schnell wie möglich wieder. Der Zustand ist den
Beteiligten bekannt, es hat sich in den vergangenen Jahren aber
anscheinend daran nichts geändert. Die sich selbst 'Öl-Metropole- Europas' nennende Stadt lebt von der Öl-Industrie und dem Geld das sie
in die Gegend bringt - es besteht keine größere Notwendigkeit, sich um
mehr zu kümmern. Übrigens war doch noch ein Hotelzimmer in Aberdeen frei - für die
Kleinigkeit von 260 Pfund pro Nacht hätte ich ein lauschiges
Schliessfach am Flughafen mieten können...
Dunnotar Castle - wo die Schotten ihre Krone versteckten
Montrose ->Aberdeen
Ich hatte lange geschlafen - dieses mal wurde ich nicht vom Lärm der
Vögel geweckt sondern von der Wärme im Zelt - die Sonne hatte bereits
alles mobilisiert als ich um acht Uhr in den Tag startete. Meine Unterschenkel sehen verheerend aus - bevor ich aufbrach fragte
ich bei der Betreiberin des Campingplatzes nach ob sie nicht
vielleicht Sonnencreme im Shop haben. Sie war sich nicht sicher - so
zogen wir zusammen os damit sie mal nachsehen konnte. Tatsächlich
hatte sie eine Flasche Sonnenmilch mit Faktor 40 im Regal stehen. Die
habe ich dann mit besten Hoffnungen gekauft. Ich erfuhr das es
normalerweise nicht so sonnig und warm in der Gegend sei - ich habe
wirklich Glück mit meiner Reise. Vor meinem Aufbruch habe ich mich zu
allererst darum gekümmert das meine Beine auch mal Glück mit dem
Urlaub haben. Die Creme macht die roten Unterschenkel wieder weiss wie
Schnee - egal, Hauptsache die Haut kann sich von der Sonne erholen. Mein Weg nach Aberdeen hatte eine eher durchwachsene Qualität - ich
bewegte mich auf einer Mischung aus Hauptverkehrsstraßen und
Nebenstraßen - alle hatten gemeinsam das sie stark von Autos
frequentiert waren - am liebsten von Fahrzeugen die für diese Straßen
zu breit waren. Auf den Hauptverkehrsstraßen sind in der Gegend viel
Sattelschlepper mit schwerer Ladung unterwegs - wenn sich zwei von den
Teilen begegnen ist auf der Straße kein Platz für irgendwas anderes
mehr. So war ich mir meinem fahrbaren Verkehrshinderniss
verständlicherweise sehr beliebt bei den Brummifahrern. Auf den
Nebenstraßen wurde meine Situation aber nicht wirklich besser. Dort
ist die Menschheit gern mit SUV-ähnlichen Fahrzeugen unterwegs die nun
allein die gesamte Fahrbahn ausfüllen. Meine vergleichbar niedrige
Sitzposition macht es mit schwer den entgegenkommenden Verkehr zu
sehen - die Straßen sind kurvig und meist von Mauern oder Hecken
begrenzt. Also hilft nur das Gehör weiter. Ich hatte heute auf solchen
Straßen Begegnungen mit beherzten Fahrern denen nach Geschwindigkeit
und Größe ihres Wagens anscheinend nicht klar war das ihnen auch schon
mal Autos entgegen kommen könnten - Ich auf dem Fahrrad war da schon
Überraschung genug. Kurz vor Stronehaven führte mich die STrecke wieder an die Küste
zurück - dort gibt es auf einem Felsen an der Küste die Burgruine von
Dunnotar Castle. Diese Burg hat in früheren Zeiten mehrfach wichtige
Rollen in der Schottischen Geschichte gespielt - unter anderem wurden
in ihr erfolgreich die Schottischen Kronjuwelen vor den Engländern
geschützt. Als sich in der Burg schottische Abtrünnige verschanzt
hatten, die nicht die anglikanische Kirche anerkennen wollten, wurde
sie so lange angegriffen das sie anschließend nicht mehr benutzt
werden konnte. Erst im 18. Jahrhundert Beschloss Königin Victoria die
Burg zumindest teilweise wieder instand setzen zu lassen und zu
erhalten. Man muss schon sagen, das Teil ist in seiner Lage wirklich optimal
angelegt - sie muss zu den damaligen Zeiten quasi uneinnehmbar gewesen
sein. Abgesehen davon liegt sie auch landschaftlich sensationell. Auch der Ort Peterhead hat seine Reize: ein Werbebanner verkündet an
einer Imbissbude das hier der frittierte Marsriegel erfunden wurde -
ansonsten hat es hier einen wirklich hübschen Hafen... Von da ab sollte es ich wieder durch die Felder Richtung Aberdeen
führen. Die Orte trugen dort so klangvolle Namen wie 'Mud on Road'
oder 'Caution Children Playing'... Je mehr ich mich Aberdeen näherte, um so ordentlicher wurden die
Örtchen. In den Fenstern der Häuser stand mit einem mal kostspieliger
Designerkrams und wirklich dicke Autos drängten sich in den
Einfahrten. Mit einem mal hinge dort auch die 'Neighbourhood-Watch'- Schilder die mir vor zwanzig Jahren schon in London signalisierten das
jetzt Misstrauen und Angst regieren. Hier wohnen nicht mehr die Leute
die eine Bindung zu den Orten haben sondern Menschen die zu Geld
gekommen sind und sich ein hübsches Häuschen etwas außerhalb der Stadt
leisten können - ie Bringen die Angst der Städter vor Kriminalität mit
auf Land. Überflüssig, anzunehmen das ich dort ein B&B finden würde - der Himmel wurde wieder dunkler und Regen drohte. Erste
Siedlungsgebiete mit Reihenhaus- und Mietkasernenarchitektur der
Siebziger zeigte mir an das ich Aberdeen schon sehr nah war. Auch dot
gab es keine Unterkunft für mich - die räumlichen Verhältnisse dieser
Häuser lassen gar nicht die Idee an Zimmervermietung aufkommen. Ich hatte das eigentliche Aberdeen noch nicht erreicht, da wurde es
zunehmend so ungemütlich das mir die Lust am Radfahren endgültig
verging. Ich hielt nach einem Ort zum Zelten Ausschau und fand an
einem Küstenabschnitt ein Stück Wiese am Ufer das von der Küstenstraße
aus nicht einsehbar war. Daneben war ein Parkplatz, zu dem der Zutritt
aber durch dicke Felsbrocken behindert wurde - zumindest der Zutritt
für Autos. Mit dem Rad passte ich gut da durch und konnte mir ein
Plätzchen fürs Zelt suchen. War nicht ganz leicht, weil überall wie
zufällig dicke Steine in der Wiese verteilt waren - aber für ein so
kleines Schloss wie das meine habe ich dann doch noch was gefunden.
Schnell stand das Zelt und ich war mit meinen Klamotten drin. Die
Sachen ausgezogen, abgetrocknet und trockene Sachen angezogen - dann
habe ich mir erst mal was zu Essen gemacht. Heute gab's Reis mit
indischer Sauce und Spiegelei. Der Kocher wurde widerrechtlich im Zelt
betrieben und hat für eine kurzfristige Hitzewelle gesorgt. Kurze Zeit
später habe ich fest gepennt. An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Gedanken zum Thema 'Wild
Campen' in Schottland anfügen. Es ist richtig, das es überall in
Schottland erlaubt ist frei zu Campen - man muss allerdings schon
recht erfindungsreich sein wenn es darum geht einen Platz zu finden -
die Felder sind oft ummauert oder hoch umzäunt und die Tore fest zu,
so das man seinen Plundern schon rüberwerfen müsste um da zu Campen -
abgesehen davon stehen überall Tiere rum - Kühe und Pferde sind so
erkundungsfreudig das sie auch schon mal ein Zelt zerlegen können -
was Schafe so drauf haben möchte ich gar nicht erst ausprobieren. Natürlich kann man auch bei einem Bauern Klingeln und fragen ob man
bei ihm Campen darf - es muss halt nur eine Klingel montiert und
jemand Zuhause sein. Vielleicht fehlt mir die nötige Geduld, aber ich
bin nicht in Schottland unterwegs um endlos um Bauernhöfe auf der
Suche nach deren Bewohnern herumzuhopsen. Es macht schon den Eindruck
das subtile Zeichen signalisieren sollen was die Leute hier von der
offiziellen Regelung mit dem Zelten halten. Da passt mein Eindruck zu
dem Küstenabschnitt für die heutige Nacht nahtlos ins Bild. Aber ich
hatte ja mein Plätzchen gefunden...