Paderborn

12. Juni - die Fahrt des Misstrauens

Meine Tour wird ich in die Rhön/Taunus führen - auf dem Weg da hin komme ich zufällig über Bad Karlshafen - das soll meine erste Etappe sein. Dort kann ich entweder bei Ariane übernachten und dann weiter radeln - oder ich lass das Rad dort liegen falls die Reparatur doch nicht so toll sein sollte.

Dies ist der dritte Versuch, einen sinnvollen Weg zu Ariane zu finden - bisher bezauberten meine Fahrten durch eher gewagte Streckenführungen. Google hat eine geradezu schmerzhafte Neigung dazu, die eher abgelegenen Strecken zu wählen - das können danach schon mal völlig verschlammte oder zugewachsene Feldwege sein oder Wege auf denen seit gefühlt vierzig Jahren niemand mehr gewesen ist.
Die vorgeschlagenen Strecken sind daher unbedingt im Detail zu überprüfen.
Dieses mal versuche ich eine Strecke über Altenbeken - wenn’s klappt ist dort die einzige deutliche Erhebung auf dem Kurs - wenn man mal davon absieht das ab Altenbeken ein geradliniger Streckenvorschlag von Google mich konsequent über Forstwege geradlinig Über Berge und Täler führen wollte. Leider kann man den Algorithmus ‚mach die Strecke so kurz wie geht und bleib um Himmels Willen von den Bundesstraßen weg‘ nicht abschalten.
Ich habe jetzt den Vorschlag mit eigenem Blödsinn modifiziert und lass mich mal überraschen.

Die Knapp 170 Kilometer Strecke bieten nur einen ernst zu nehmende Steigung - eben die bei Altenbeken. Die bisher ausprobieten Strecken waren ware Berg- und Talfahrten.

Die Friedenseiche von Nateln (1871)



Die erste Etappe führt mich bis zur Baker Seenplatte - der Campingplatz liegt knapp auf der Hälfte der Strecke kurz vor Paderborn und einigermaßen nah am Kurs.
Eigentlich ein Platz mit reichlich Dauercampern gibt es hier eine Wiese auf der sich die Gelegenheitscamper versammeln können. Aufgrund der aktuellen Verhältnisse habe ich mich entgegen meiner Gewohnheit, einfach irgendwo aufzulaufen und nach einem Platz zu fragen, vorher angekündigt. Ich kann nicht damit rechnen das die Regel noch gilt das ein Fahrradfahrer immer immer Plätzchen bekommt.
Der Weg dort hin war von der Suche nach der Quelle von komischen Geräuschen gezeichnet - es gibt einen knarzenden Ton der sich relativ aufdringlich in Abhängigkeit von den Bewegungen der Hinterrad-Schwinge bemerkbar macht - die Quelle ist nicht ganz klar. Es stellte sich heraus das die eine oder andere Schraube, speziell bei der Drehmomentstütze und am Gepäckträger hätte fester sein können - das gab mir unterwegs die Gelegenheit von Pausen mit Werkzeug-Einsatz.
Auf dem Campingplatz angekommen habe ich dann noch mal alle Schrauben gecheckt und festgestellt das eine am Gepäckträger nicht mehr richtig greift - da werde ich eine Längere besorgen müssen. Außerdem scheint es so als wenn sich die Verschraubung der Drehmoment-Stütze durch die Bewegungen der Schwinge gelockert haben - erst mal alles fest gemacht so weit es geht und für morgen einen Stop bei einem Baumarkt eingeplant.

Die erste Nacht bei einer Tour ist traditionell immer der Moment wo ich mich frage warum ich Dinge ausgerechnet an einen bestimmte Stelle geräumt habe (an der ich sie dann nicht wieder finde).
Anscheinend habe ich mein Zelt nach der letzten Fahrt nicht wirklich sauber gemacht - so konnte ich nun unter einem Baum voller Tauben ein Zelt aufstellen das offensichtlich schon von Tauben dekoriert war - große Enttäuschung im Baum über mir…

Camping-Still-Leben mit Orca als Wäscheständer

05.07.2017: Bergkamen-Hamm-Lippstadt-Paderborn

Etappe eins Richtung Harz soll mich heute bis nach Paderborn führen. Kurz nach acht schiebe ich das Rad vor die Tür und mache mich auf den Weg.
Die heutige Route wird Ihnen präsentiert von GOOGLE-Maps und führt mich, wie soll es auch anders sein, auf einem bisher noch unbekannten Weg zum Kanal bei Lünen. Dann geht’s den Kanal entlang bis kurz hinter Hamm. Den Kanal entlang treffe ich das eine oder andere Kohlekraftwerk und immer mal wieder sinnlos in der Landschaft stehende Brückenköpfe im Stil des frühen 19. Jahrhunderts. Die Gegend muss damals wesentlich feuchter gewesen sein als heute.

Aktuell gibt es eine Baustelle am Radweg die es unmöglich macht bis nach Hamm zu kommen. Natürlich gibt es Baustellenschilder wenn man aus Richtung Lünen kommt aber da keine Umleitung angegeben ist und mir auch immer wieder Radfahrer entgegen kamen ging ich davon aus das da auch ein Durchkommen sei. Kurz vor Ende des etwas heruntergekommenen Wegstücks stehen dann Betonelemente die den Weg versperren. Ein schmaler Weg führt an einem steilen Hang drum herum zu einem Geländer das zwar teilweise zerstört ist, wo man aber doch alles drüber heben muss um weiter zu kommen. Mir blieb nichts anderes übrig als die gesamte Beladung des Rades abzubauen und einzeln um die Barriere herum zu tragen. Zum Schluss dann noch das nackte Rad. Eine tolle Nummer die wirklich zu Begeisterung verleitet. Wer aktuell aus Lünen Kommend den Radweg Richtung Hamm fährt sollte nach Möglichkeit auf der rechten Seite des Kanals fahren, oder, wenn doch auf der linken Seite unterwegs, nach dem Industriehafen Hamm bei der pompös im nichts stehenden, weissen Brücke über den Kanal auch die rechte Seite wechseln. Die Brücke hat eine Auffahrt für Räder.
Das erspart einem Überraschungen wie meine.
Mittagspause in einem Park in der Nähe des Jahn-Stadions - da gibt es schattige Bänke in der nähe der Saline.
Dann ging es weiter Richtung Paderborn. Eine Weile folgt der Weg noch dem Kanal Richtung Lippstadt. Dann geht es auf Bundesstraßen und Seitenwegen weiter. Vor Paderborn halte ich Ausschau nach Campingplätzen, finde aber keine bzw. keine Hinweisschilder. Viel zu schnell bin ich in Paderborn und entscheide mich, hinter der Stadt nach einem Platz zu suchen. Ich zeige nach etwas über 100 Kilometern inzwischen deutliche Anzeichen von Abgeschlafftheit.
Ein Gespräch mit einer Frau, die ihren ältlichen Hund ausführt, macht wenig Hoffnung. Hinter der Stadt gibt es absolut keine Campingplätze.
Ich hoffe auf eine Bauern bei dem ich mein Zelt auf die Wiese stellen kann. Dann finde ich aber hinter einer dichten Hecke ein wirklich schönes Plätzchen neben einem Getreidefeld. Da habe ich dann mein Lager aufgeschlagen.
Es wurde höchste Zeit - mit der Erschöpfung bekomme ich zunehmend Probleme das Rad zu balancieren. Noch mehr Steigungen hätte ich beim besten Willen nicht mehr geschafft.
Morgen werde ich bei Ariane in Bad Karlshafen schlafen und hoffe doch sehr auf eine schöne Dusche. Heute bleib nichts, als mich abzureiben und frische Sachen anzuziehen.

Abendstimmung mit Benzinkocher und rechtem Fuß

So schön die gefundene Ecke auf den ersten Blick auch erschien - sie liegt anscheinend an einer der Hauptverkehrs-Straßen für Landmaschinen. In enger Taktung fuhren Trecker und Mähdrescher an meinem Platz vorbei - ich hatte nicht bedacht das die Erntesaison begonnen hat. Bis spät in die Nacht donnerten die Teile vorbei und ich bekam ein bisschen Angst dass sie sich auch noch über das Weizenfeld her machen würden neben dem ich gerade kampierte.
Ich hatte Glück und irgendwann ließ der Verkehr auch nach so das ich nicht ständig wieder wach wurde.

22.07.2015 - Zweiter Tag - Paderborn > Horn: 25 Kilometer

Die Nacht habe in mit dem Kopf auf einem viel zu dünnen Kissen unter einer viel zu dicken Decke verbracht - Anders herum wäre bei diesen Temperaturen irgendwie besser gewesen...

In der DDR entwickelt und bis 1992 in China produziert: die 'fliegende Taube' / Developed in the GDR and produced in China until 1992: the 'Flying Pidgeon'

Vor meiner Weiterfahrt war 'Bildung und Kultur' angesagt: es ging ins Nixdorf-Museum - da wollte ich immer schon mal hin. Zugegeben ist das ziemlich nerdig aber die haben dort eine große Schreibmaschinen-Sammlung - und Schreibmaschinen finde ich immer noch toll. Leider durfte man sie nicht anfassen. Die feste Sammlung des Museums gibt unter anderem einen guten Überblick über die Entwicklung mechanisierter Rechen- und Schreibarbeit bis zu dem Punkt wo die Elektronik Einzug hielt. aber immerhin konnte ich zwischen all den Metallmonstern einer längst vergangenen Schreibkultur doch tatsächlich eine Schreibmaschine entdecken die in der DDR für den Chinesichen Markt hergestellt wurde.

Natürlich waren auch die elektronischen Rechner für mich sehr interessant. Ich habe viele alte Bekannte aus meinen vergangenen 25 Jahren wieder getroffen - leider konnte ich nicht mit ihnen kuscheln weil sie in Vitrinen eingesperrt waren ;-)

Nach einem Abstecher in die Kantine des Museums habe ich ich dann mit einiger Verspätung auf den Weg Richtung Osten gemacht - es war schon 13:00

Heute habe ich nicht so wirklich viel Strecke gemacht - ob es daran lag das sich meine Beine an ihre Arbeit wieder gewöhnen müssen oder das es so heiss war- oder vielleicht auch weil es permanent bergauf ging... Keine Ahnung - jedenfalls bin ich nicht so richtig vom Fleck gekommen. Insgesamt sollten es heute lediglich 25 Kilometer werden bis ich in Horn in der Jungendherberge gestrandet bin.

Auf dem Weg dort hin habe ich noch einen Abstecher zu den Externsteinen gemacht - auch sie wollte ich immer schon mal sehen.

Die Felsformation steht in einem kleinen Tal als währe sie vom Himmel gefallen - wirklich kurios. Als Kultstätte der Frühzeit bis ins Mittelalter hinein hat der Ort so einige Umdeutung und Umformungen erfahren, strahlt heute aber immer noch eine ziemliche Faszination aus.

Irgendwie scheint es so hügelig weiter zu gehen - man sollte nie die Rechnung ohne den Teutoburger Wald machen...

So war es schon sechs Uhr Abends als ich in Horn einrollte. Irgendwie hatte ich die Befürchtung das ich keine Schlafgelegenheit mehr finden würde wenn ich noch weiter Radeln würde. So habe ich eine Frau an einem Erdbeerstand nach einer Herberge gefragt und sie hat mir gerne weiter geholfen - in Horn gibt es eine Jugendherberge. Das Gebäude aus den Fünfzigern ist noch weitgehend original und gut gepflegt ausgestattet und strahlt einen Charme aus der mich sofort gefangen nahm...

...Quatsch! ich war einfach müde und hätte sicher auch in einem Schuhkarton Quartier bezogen wenn man ihn mir dafür angeboten hätte. morgen mache ich wieder mehr Kilometer - versprochen ;-)

21.07.2015 - die Fahrt geht los / the journey begins

Ich habe überhaupt keine Ahnung wer diesen komische Radiowecker auf sechs Uhr morgens gestellt hat - aber wo ich schon mal die Morgenandacht von WDR2 hören darf, kann ich auch gleich aufstehen...

Obwohl ich gestern noch eine 'Anprobe' mit den Satteltaschen am Rad gemacht hatte war es bis heute Morgen irgendwie mehr geworden als beabsichtigt.

Als das Rad beladen war war ich schon ein mal durchgefeuchtet - es war sonderbar schwül-warm und hatte genieselt bis ich mit Aufladen fertig war.
Gleich darauf fiel mir auf das ich seit dem letzten Jahr völlig vergessen hatte wie ungeschmeidig sich das Liegerad verhält wenn es bepackt ist - fast wär ich beim Aufsteigen vor dem Haus mit dem ganzen Gerümpel umgekippt - gut das die Nachbarschaft noch nicht auf der Straße war.

Ein gut beladener Killerwal...

Natürlich fährt es sich mit einem solchen Möbeltransporter auch nicht so schnell wie sonst - gerade rechtzeitig habe ich es für zehn Uhr zum Pflegedienst 'Lebensluft' in Unna geschafft. Wir hatten uns dort für einen Wink- und Verabschiedungstermin mit Foto verabredet. Hier sieht man mich im Kreise eines Teils der Leute um die ich mich schon mal nächtens kümmere und, nicht zu vergessen, meiner Kollegen.

erabschiedungs- und Wink-Termin beim Pflegedienst 'Lebensluft'

Warum dieser Fototermin?

Also, das ist so...

Ich habe mir die Herausforderung ausgesucht eine Radreise nach und durch Ostdeutschland zu machen. Das ist natürlich ein selbst gewähltes Schicksal, das macht es aber nicht weniger anstrengend oder risikoärmer. Wr weiss was der Technik wieder einfällt um die Sache zu sabotieren oder wie gut ich durchhalte oder nicht.

Ihr könnt das Ganze in diesem Blog verfolgen und ich hoffe das es für Euch unterhaltsam und am Ende sogar spannend ist. Vielleicht sogar so spannend das der Eine oder Andere von Euch ein Projekt unterstützen möchte durch das Menschen die sich ihre Herausforderung nicht selbst aussuchen konnten ein wenig Erholung von ihrerm Leben bietet:

Die Bewohner der Langzeit-Beatmeten-WG in Unna würden gerne im nächsten Jahr Ferien an der See machen. So schön sich diese Idee liest, so kostspielig gestaltet sie sich auch. Pro Bewohner sind mit Kosten um 2500 € zu rechnen - ein Grossteil dieser Summe muss durch Spenden gewonnen werden da bei den Betroffenen meist keine finanziellen Mittel in ausreichender Menge vorhanden sind.

Eine Idee dazu ist meine Reise - Es haben sich schon ein paar Leute gefunden die mir pro Kilometer gefahrener Strecke einen kleinen Betrag auf das Spenden konto überweisen oder die einen Betrag ihrer Wahl für die Idee geben - vielleicht fühltja der eine oder andere von euch diese Idee auch gut.

Im Gegenzug dafür gibt es hier die mehr oder minder spannenden Geschichten von meiner Strampelei durch Ostdeutschland - natürlich könnt ihr das auch verfolgen ohne was an das Projekt zu geben ;-)

Ich habe jedenfalls Unna mit geschmackvollen, von den Kollegen gebastelten Applikationen für das Fahrrad verlassen. Jetzt habe ich einen Wimpel der auf die Spendentour hinweist und eine kleine Blumengirlande in Deutschland-Farben an meinem Rad - was doch stilvoller Schmuck so ausmacht...

Ein überladener Killerwal mit geschmackvollen Applikationen kurz vor Soest

Viel Spannendes ist auf der ersten Etappe nicht wirklich passiert. Ich habe ein waar wunderschöne Zementwerke in Anröchte gesehen während ich mich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 17 Kilometern an Paderborn heran robbte. Um halb sechs Uhr Nachmittags hatte ich mein Ziel, die Jugendherberge, erreicht.

Mal sehen was es Morgen zu sehen gibt...

mein Reisewimpel

Die Zeitungsredaktion hat mich dezent zehn Jahre älter gemacht. Ob das eine Sichtschätzung war oder ob sie sich einfach nur verhört haben ist jetzt nicht klar - ich überleg mir mal ob ich mein neues Alter einfach mal annehme und mich auf die baldige Rente freue ;-)