Ich wurde von Gebrüll auf der Straße geweckt - beim Blick aus dem
Fenster sah ich einen Mann dem der Zug durch die Kneipen heute Nacht
wohl nicht ganz gut getan hatte und seine hilflos wirkende Freundin.
Er brüllte herum - keine Ahnung was sein Problem war. Begleitend
versuchte er einen Laternenmast umzutreten - als das nicht gelang warf
er sich über das Zäunchen vor dem gegenüber liegenden Hotel und
stemmte einen Bumentopf mit einem Buchsbaum drin. Einem Moment sah es
so aus als wolle er den durch Hotelfenster schmeißen, hat sich dann
aber umentschieden und ihn am Zaun zerdeppert. Eine der Scherben
steckgte er sich hinten hinter den Hosenbund und tanzte damit über die
Straße während er dazu 'we are the Champions...' gröhlte. Während die
restlichen Menschen auf der Straße das Geschehen ignorierten versuchte
seine Begleiterin ihn durch gutes Zureden da weg zu bekommen. Nett ist
es hier - fast wie Zuhause... Der Wetterbericht hatte für heute Wolken versprochen - und zwar nur
Wolken und nicht mehr! Ich hatte mich mal so richtig ausgeschlafen, mein Zelt und meine
Isomatte im Zimmer trocknen lassen und war fest entschlossen, heute
wieder weiter zu radeln. Es gelang mir mir Sack und Pack um neun Uhr
vor meiner Coma-Pension zu stehen - das Städtchen schlief noch (oder
endlich...) Auf der freien Strecke zeigte sich was 'Wolken' hier an der Küste
heisst: mag sein das das Wolken sind, die sind aber so niedrig
aufgehängt das sie als eine Kreuzung zwischen Nebel und Regen in
Bodennähe herumwabern. Gut, das mein Gepäck gerade wieder trocken ist. Bei dem Wetter liess es sich aber ganz gut radeln und die Gegend hat
auch ohne Fernsicht eine Menge Schönes zu bieten. Später sollte sich
heraus stellen das es nur im Inland so eigenartig feucht ist - direkt
an der Küste war es trocken und teilweise sogar sonnig. Ich hatte mir
in St. Combs den Strand angesehen und war überrascht das es dort nicht
regnete. ALs ich von dort der Straße landeinwärts folgte brauchte es
keine hundert Meter Abstand zur Küste und ich hatte meinen Niesel
wieder. Ein Abstecher nach Inveralochy - Sonnenschein und ein Strand mit Wrack
in der Brandung. Es soll dort vor acht Jahren wegen Nebel auf Grund
gelaufen sein - wie das dem Kapitän bei all der modernen Technik
heutzutage gelungen sein soll war dem Mann den ich am Strand nach dem
Wrack fragte ein Rätsel. Er vermutete das da jemand an Bord tief
geschlafen haben muss. Weiter ging es nach Fraserburgh - hier laufen die großen Kutter zum
Fischen aus. Im Hafen gibt es einen großen Betrieb zum Überholen
solcher Schiffe. Außerdem war im Stadtzentrum heute der 'Super
Samstag' - wie es scheint einen Maßnahme des dortigen Gewerbevereins
um Leute in die Stadt zu locken. Hüpfburg, Bühne mit Liveprogramm und
jede Menge Stände bemühten sich, in das etwas mitgenommen wirkende
Stadtzentrum Leben zu bringen. Es waren auch eine Menge Leute auf den
Beinen. Ich konnte mir dort die - wie es hiess - besten Fisch&Chips
der Welt kaufen und habe es auch getan. Ob es die besten waren kann
ich nicht beurteilen - jedenfalls waren sie wirklich sehr gut. Fraserurgh hat ein Leuchtturmuseum - das wollte ich mir nicht entgehen
lassen. Das Museum ist eine Offenbarung für alle Liebhaber von
Fresnellinsen und anderen Vorrichtungen zum Bündeln von Licht. Es gibt
aber auch einen guten Einblick über die Bemühungen Schottlands in den
vergangenen 300 Jahren die Küsten zu sichern und wie sich das Leben in
und um die Leuchttürme in den verschiednen Epochen organisierte. Die
Exponate sind zum größten Teil ausgemusterte Originale aus den
inzwischen deutlich modernisierten Leuchttürmen. Sie sind in einer
Weise präsentiert in der man ihre Funktion nachvollziehen kann -
Beleuchtungs- und SIcherheitstechnik zum Anfassen - fand ich toll... Ein bisschen außerhalb von Fraserburgh kam ich dann zufällig an einem
Camingplatz vorbei - dem Hobbit-Glamping. Ich fragte ob ich mein Zelt
dort aufstellen könne - die Betreiberin zögerte erst, weil dort nur
feste Behausungen vermietet werden und sie auch schon fest ausgebucht
waren. Dann fragte sie aber die Familie die bereits auf dem Gelände
war ob sie was dagegen hätten und damit war ich für die Nacht
untergebracht. Natürlich hätte ich ein paar Meter weiter auch wild
Campen können, aber so eine Dusche nach einem berschwitzten Tag ist
schon was Feines. Und die Sanitären Einrichtungen auf dem
Glampingplatz waren wirklich was Feines. Die Toilette hatte den Preis
der 'Toilette des Jahres 2013' gewonnen und das nicht ohne Grund! Hier
hatte jemand mit viel Erfindungsreichtum um Raffinesse ein uriges
Kleinod geschaffen. Wenn auf dem Gelände nicht gerade so ein blöder
Radtourist mit seinem Zeltchen herumlungert gibt es dort original zwei
Hütten zu mieten - eine für bis zu drei, eine für bis zu vier
Personen. Sie sind wie kleine Höhlen aus Holz geformt und innen
geschmackvoll eingerichtet - Vorausbuchung macht hier sehr viel Sinn... Ich wurde von meinen Nachbarn auf 'ein Würstchen' eingeladen und wir
haben uns dann nett fest gequatscht. Es sind die zufälligen Ereignisse
die dieser Reise überraschenden Reiz geben...
Peterhead
Peterhead
Ich hatte heute einen schlechten Start - letzten Endes ist es mir erst
um elf Uhr gelungen den Campingplatz mit meinem Gefährt zu verlassen.
Vermutlich hätte ich gestern Abend doch nicht so lang vor dem
Wäschetrockner herumlungern sollen - aber ich wollte ja nicht nur
saubere sondern auch trockene Wäsche haben. Die ehemalig Bahnstrecke nach Peterhead ist toll zu fahren und führt
geradewegs in der Ort hinein - die Strecke endete damals am Hafen. Für
mich endete sie bei einem Supermarkt wo ich erst mal Einkäufe tätigte. Eigentlich hätte ich jetzt noch schön weiter radeln sollen, war mir
aber über die Strecke nicht so ganz im klaren. außerdem hatte sich ein
ungemütlicher Nieselregen breit gemacht der zusammen mit dem kalten
Wind unangenehm in die Kleidung kroch - in meinem Kopf reifte der
Gedanke nach B&B. Auf meinem Weg vom Supermarkt ins Zentrum fand ich
schnell ein Guesthouse namens 'Al Coma' - der Name überzeugte mich und
sie hatten auch noch ein Zimmer frei. Es war erst ein Uhr Mittags aber die Sogwirkung dieses Bettes war so
enorm das ich mich erst mal pennen lagen musste - anscheinend gab es
nach meiner durchgemachten Nacht in Aberdeen immer noch ein
unbewältigtes Schlafdefizit. Gegen 16:00 konnte ich mich dann doch zu einer Erkundungstour durch
den Ort aufmachen. offiziell, weil ich was zu Essen besorgen musste,
aber auch, weil ich den Ort mal etwas genauer sehen wollte. Alo, verlaufen kann man sich in dem Ort nicht - er dürfte sowas um
20.000 Einwohner haben und die größten Arbeitgeber sind der Fischfang
und die Ölindustrie. Der Hafen ist in zwei Hälften geteilt von denen
jede einer dieser Zweige zugeordnet ist. So ist das Angebot an Läden
und Freizeitangeboten auf die Bedürfnisse dieser Industrie
zugeschnitten: viele Herrenfriseure, verschiedene Seemannsmissionen
(je nach Nationalität), Imbissbuden und Vergnügungsläden die irgendwas
mit Frauen zu tun haben sind in der Mehrzahl. Was fällt noch auf? Nun,
es gibt verhältnismäßig viel Leerstand von der Sorte wo
sicherheitshalber schon mal die Fenster zugemauert wurden und es
scheint auch eine Menge Arbeitslosigkeit zu geben - zumindest nach dem
zu urteilen was so auf der Straße herum steht... Nach meiner Footour durch die Stadt habe ich mir eine echt schottische
Döner geschossen, beider Gelegenheit noch viel über die
Zubereitungsunterschiede zum entsprechenden heimischen Produkt gelernt
(man muss das Fleisch gar nicht von dem Spieß abschneiden, man kann es
auch einfach aus einem Warmhaltegefäß holen...) Und mich mit meiner
Beute in mein Zimmer zurück gezogen. Die ersten standen betrunken vor
dem Pub um die Ecke und johlten - ein LKW mit einer Ladefläche voller
lärmender Männer in Arbeitskleidung fuhr an meiner Pension vorbei - es
ist tatsächlich etwas rustikaler hier. Da machte sich aber schon wieder der Name meiner Unterbringung geltend
und ich bin fest eingeschlafen. Okay, vorher habe ich mit dem Garmin-Programm eine Route
zusammengezimmert die mich auf Nebenstraßen entlang der Küste führt -
schön das ich nun auch weiss wie das geht...