Heute habe ich mir den Wecker gestellt - auf sechs Uhr. Wenn alles gut klappt, kann ich vor der Mittagshitze noch gut Kilometer machen. In der Nacht hat jemand in dem Maisfeld neben mir ein bisschen geräubert - anscheinend gibt es hier Wildschweine. Das Velostudio ist dick mit Tau überzogen - einen Acker weiter ist eine Pferdekoppel - ich werde von dort neugierig beäugt. Über den Feldern liegt noch dicker Nebel.
Mein Aufbruch ging ohne großartige Überraschungen über die Bühne. Nur die Rücksicht-Kamera lässt sich ums Verrecken nicht mit dem Handy verbinden - ich glaube, das ich mich in Bälde von dieser Lösung trennen werde. Ich brauche da was das direkt beim Einschalten funktioniert, und nicht jedes mal eine halbstündige Fummelei ohne sicheren Ausgang.
Gleich nach meinem Aufbruch kam ich am malerischen Twistesee vorbei - dort liegt der sogenannte Campingplatz, der aber genau genommen nur ein Wohnmobilparkplatz ist. Es gibt im Kreis Bad Arolsen anscheinend eine genaue Vorstellung davon, welche Art von Touristen man sich wünscht und welche nicht. Es gibt hier nirgends in der Umgebung einen Campingplatz der für alle offen ist. Der Betreiber des Platzes hat mir am Telefon mitgeteilt das er von der Gemeinde keine Erlaubnis bekommt, auch Zelte oder andere Camper auf den Platz zu lassen.
Natürlich befinde ich mich noch immer im Sauerland und natürlich haben sie immer noch ein paar Steigungen im Ärmel. Das Zynische an der Wegeführung ist, das wenn ich mich gerade einen Anstieg hoch gekämpft habe, dahinter ein lustiges Gefälle ist, das mich gleich wieder an einen Anstieg führt der dem davor in nichts nach steht. Das mein Antriebskonzept zur Zeit sehr ungünstig ist, macht das alles nicht besser.
Acht Kilometer vor Marsberg sind kurz vor einer Bergkuppe dann die Batterien ausgestiegen - gut das das eine sonnige Gegend ist. Ich stellte den Anhänger optimal zur Sonne und machte eine einstündige Frühstückspause. Während ich das so rum lungerte, kam ein Ehepaar vorbei das mich darauf aufmerksam machte das es in Marsberg bei der Volksbank eine Ladestation für e-bikes gäbe. Dort könne ich kostenfrei mein Problem lösen. Tatsächlich hat dann die nachgeladene Menge an Energie gut bis dort hin gereicht.
Leider konnte ich nicht einfach den ganzen Anhänger an die Steckdose hängen - das Kabel hätte eine Stolperfalle für die Kunden der Bank dargestellt. Daher musste ich meine Batterien einzeln außerhalb des Anhängers an die zur Verfügung stehenden Steckdose hängen - und mich daneben setzen. Wie ich erfuhr sei diese Ladestation ja für eBikes und nicht für irgendwelche Vehikel (gemeint war das Velo-Studio) konzipiert. Ich frage mich gerade, welcher Horst so vertrauensselig ist und hier sein eBike an das dazu passendem Ladegerät angeschlossen stehen lässt. irgendwie sollten solche Angebote so konzipiert sein das die Ladegeräte gesichert sind wenn man zum Beispiel Einkaufen gehen möchte. Ein Schelm, wer sich bei so einer Installation denkt das es in Wirklichkeit nie darum ging, hier tatsächlich E-Bikes aufzuladen…
Nach zwei Stunden hatte ich die Accus auf 70% hoch geladen und machte mich wieder auf den Weg - immerhin wollte ich heute ja noch bis nach Neheim. Wie nicht anders zu erwarten führte mich der Weg von Marsberg nach Brilon über diverse, interessante Steigungen - immer gern am Limit der Leistung des Motors - und auch an Meiner. Das ungünstige Übersetzungsverhältnis forderte vollen Einsatz von allen Beteiligten.
Es scheint im Sauerland Prinzip zu haben das Radwege grundsätzlich über die höchsten Wipfel geführt werden die zur Hand sind. Extreme Steigungen und Gefälle sind reichlich geschottert, damit das Fahren auf ihnen noch mal so viel Spaß macht. Wir haben uns jedenfalls tapfer durch gekämpft bis ich kurz vor Brilon plötzlich keine Sperrklinken mehr hatte. Also, der Freilauf an meinem Hinterrad war plötzlich ein ewiger Freilauf in alle Richtungen und der Antrieb völlig unwirksam. Gerade hatte ich noch die letzte Steigung vor Brilon genommen und mit einem Mal war nichts mehr da.
Ich habe mich notgedrungen erst mal auf einem abgemähten Feld platziert und für die Nacht eingerichtet. Ein Freund hatte sich, als die Probleme auf meiner Reise überhand nahmen, angeboten, mich mit einem Transporter abzuholen. Ich hatte Glück - der Kollege hatte an dem Abend noch noch Zeit und Lust um mich einzusammeln - so ist der Anhänger immerhin vom Acker verschwunden und steht vorerst sicher auf einem Platz bei Neheim.