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Dienstag, 27.August - von Neu Berich bis nach Brilon (und kein bisschen weiter)

Heute habe ich mir den Wecker gestellt - auf sechs Uhr. Wenn alles gut klappt, kann ich vor der Mittagshitze noch gut Kilometer machen. In der Nacht hat jemand in dem Maisfeld neben mir ein bisschen geräubert - anscheinend gibt es hier Wildschweine. Das Velostudio ist dick mit Tau überzogen - einen Acker weiter ist eine Pferdekoppel - ich werde von dort neugierig beäugt. Über den Feldern liegt noch dicker Nebel.

Mein Aufbruch ging ohne großartige Überraschungen über die Bühne. Nur die Rücksicht-Kamera lässt sich ums Verrecken nicht mit dem Handy verbinden - ich glaube, das ich mich in Bälde von dieser Lösung trennen werde. Ich brauche da was das direkt beim Einschalten funktioniert, und nicht jedes mal eine halbstündige Fummelei ohne sicheren Ausgang.

Gleich nach meinem Aufbruch kam ich am malerischen Twistesee vorbei - dort liegt der sogenannte Campingplatz, der aber genau genommen nur ein Wohnmobilparkplatz ist. Es gibt im Kreis Bad Arolsen anscheinend eine genaue Vorstellung davon, welche Art von Touristen man sich wünscht und welche nicht. Es gibt hier nirgends in der Umgebung einen Campingplatz der für alle offen ist. Der Betreiber des Platzes hat mir am Telefon mitgeteilt das er von der Gemeinde keine Erlaubnis bekommt, auch Zelte oder andere Camper auf den Platz zu lassen.

Natürlich befinde ich mich noch immer im Sauerland und natürlich haben sie immer noch ein paar Steigungen im Ärmel. Das Zynische an der Wegeführung ist, das wenn ich mich gerade einen Anstieg hoch gekämpft habe, dahinter ein lustiges Gefälle ist, das mich gleich wieder an einen Anstieg führt der dem davor in nichts nach steht. Das mein Antriebskonzept zur Zeit sehr ungünstig ist, macht das alles nicht besser.

Acht Kilometer vor Marsberg sind kurz vor einer Bergkuppe dann die Batterien ausgestiegen - gut das das eine sonnige Gegend ist. Ich stellte den Anhänger optimal zur Sonne und machte eine einstündige Frühstückspause. Während ich das so rum lungerte, kam ein Ehepaar vorbei das mich darauf aufmerksam machte das es in Marsberg bei der Volksbank eine Ladestation für e-bikes gäbe. Dort könne ich kostenfrei mein Problem lösen. Tatsächlich hat dann die nachgeladene Menge an Energie gut bis dort hin gereicht.

The bicycle and Velo-Studi are standing on a hill next to a dirt road in the sun - the trailer is aligned in such a way that the solar cells are optimally oriented towards the sun

Sonne tanke kurz vor Marsberg

Leider konnte ich nicht einfach den ganzen Anhänger an die Steckdose hängen - das Kabel hätte eine Stolperfalle für die Kunden der Bank dargestellt. Daher musste ich meine Batterien einzeln außerhalb des Anhängers an die zur Verfügung stehenden Steckdose hängen - und mich daneben setzen. Wie ich erfuhr sei diese Ladestation ja für eBikes und nicht für irgendwelche Vehikel (gemeint war das Velo-Studio) konzipiert. Ich frage mich gerade, welcher Horst so vertrauensselig ist und hier sein eBike an das dazu passendem Ladegerät angeschlossen stehen lässt. irgendwie sollten solche Angebote so konzipiert sein das die Ladegeräte gesichert sind wenn man zum Beispiel Einkaufen gehen möchte. Ein Schelm, wer sich bei so einer Installation denkt das es in Wirklichkeit nie darum ging, hier tatsächlich E-Bikes aufzuladen…

A charging facility for e-bikes with several sockets. The wallbox is integrated into a bicycle rack on which the Volksbank Marsberg logo is emblazoned - along with other mottos that emphasize the bank's future-oriented approach

Die Ladebox für e-bikes bei der Volksbank Marsberg

Nach zwei Stunden hatte ich die Accus auf 70% hoch geladen und machte mich wieder auf den Weg - immerhin wollte ich heute ja noch bis nach Neheim. Wie nicht anders zu erwarten führte mich der Weg von Marsberg nach Brilon über diverse, interessante Steigungen - immer gern am Limit der Leistung des Motors - und auch an Meiner. Das ungünstige Übersetzungsverhältnis forderte vollen Einsatz von allen Beteiligten.

Es scheint im Sauerland Prinzip zu haben das Radwege grundsätzlich über die höchsten Wipfel geführt werden die zur Hand sind. Extreme Steigungen und Gefälle sind reichlich geschottert, damit das Fahren auf ihnen noch mal so viel Spaß macht. Wir haben uns jedenfalls tapfer durch gekämpft bis ich kurz vor Brilon plötzlich keine Sperrklinken mehr hatte. Also, der Freilauf an meinem Hinterrad war plötzlich ein ewiger Freilauf in alle Richtungen und der Antrieb völlig unwirksam. Gerade hatte ich noch die letzte Steigung vor Brilon genommen und mit einem Mal war nichts mehr da.

das Velostudio-Gespann steht an einem Feld kurz vor Brilon - der plötzliche Endpunkt meiner Reise

Ich habe mich notgedrungen erst mal auf einem abgemähten Feld platziert und für die Nacht eingerichtet. Ein Freund hatte sich, als die Probleme auf meiner Reise überhand nahmen, angeboten, mich mit einem Transporter abzuholen. Ich hatte Glück - der Kollege hatte an dem Abend noch noch Zeit und Lust um mich einzusammeln - so ist der Anhänger immerhin vom Acker verschwunden und steht vorerst sicher auf einem Platz bei Neheim.

die Strecke von Brilon nach Neheim machte das Velostudio in einem Transporter für Motorräder…

Donnerstag, 22.08.24 - als Gefahrensucher unterwegs

Ich hatte mich gestern in eine Falle manövriert - der Weg zu der lauschigen Wiese auf der ich meine Nacht verbracht hatte war ein Feldweg, der so reichlich geschottert war das ich, als es mir auffiel, nicht hätte umdrehen und wieder zurück fahren können. Durch den Schotter ist die Bodenhaftung des angetriebenen Rades quasi nicht vorhanden. Der einzige Weg weg von dieser Wiese, zurück in die Zivilisation, ist ein quasi zugewachsener Hohlweg, der nur wenig breiter als mein Anhänger ist. Ich habe ihn gestern Abend abgegangen und Totholz weg geräumt das den Weg blockiert. Außerdem habe ich gecheckt ob die Büsche an beiden Seiten des Wegs flexibel genug sind um mich mit meinem Gespann durch zu lassen. Nicht, das das etwas an der Route geändert hätte, aber es macht ein gutes Gefühl, sich so was vorher noch mal anzusehen. Ich habe die komplette Strecke bis zur Bundesstraße abgegangen um mir einen Eindruck davon zu machen wie ich sie am besten bewältigen könnte. Mit viel Umsicht sollte es machbar sein.

Die Strecke habe ich mit meinem Gespann quasi im Schritttempo zurück gelegt. Ständig mit allem bremsend, was zu Hand war. Die Gefällestrecke, die sich dem Hohlweg anschloss war nicht minder spassig. Zwar nicht zugewachsen, aber mit Steinen unterschiedlichsten Kalibers ‚geschottert‘. Man kann auch sagen: mit Geröll gedeckt. Ein Starkregen hatte diesen Weg zur Hälfte weg gespült und tiefe, den Weg querende Rinnen hinterlassen, die es schwierig machten, darin nicht mit den Rädern hängen zu bleiben.

Zum Glück konnte ich das alles überwinden ohne das es zu Katastrophen kam. Ich hatte diese Strecke kurzfristig geplant ohne sie genauer unter die Lupe nehmen zu können - das war das Ergebnis!

Glücklich in Benterode angekommen klingelte ich bei einem Haus an der Tür um darum zu fragen das man mir meine Flaschen mit Wasser befüllt. Interessante Gegenfrage: ‚wirklich Leitungswasser oder soll ich ihnen besser richtiges Wasser geben‘ - nun, ja…

Willkommens-Graffitti in Eichsfeld

Ab Martinfeld folgte der Radweg der Werra bzw. dem ehemaligen Grenzverlauf. Im Gedenken an diesen geschichtlichen Bezug gab es diverse Hinweistafeln und Denkmäler zu besuchen. Da in Thüringen bald Wahlen sind konnte ich in den entsprechenden Orten diverse Level von inhaltsleeren Plakaten bestaunen - wobei tatsächlich SPD und Grüne sich noch zu konkreten und sinnvollen Botschaften hinreisen ließen. Den Rest konnte man von den Aussagen her komplett vergessen - Motto ‚sie kennen mich…‘

Hinter Frankenroda war die Brücke über die Werra gesperrt. Da bin ich bis Mihla auf der Landstraße gefahren. Hinter Mihla wurde noch mal die große Tüte Steigungen hervor gezaubert. Zwischen Bischofroda und Eisenach gibt es einen Höhenzug zu überwinden. Die Straße dort hoch hatte es in sich. Danach ging es nur noch bergab.

Mein heutiges Ziel: ‚Camping im Garten‘ - ein kleiner Campingplatz in Hötzelsroda liegt ganz in der Nähe von Eisenach. Hier habe ich ein sonniges Plätzchen auf der Wiese gefunden. Der Anhänger steht gut im Licht, so das er die Batterien während meine Aufenthalts gut aufladen sollte.

Das Velostudio, optimal zur Sonne ausgerichtet bei 'Camping im Garten' in Hötzelsroda bei Eisenach

22. bis 24.6.20: Heimfahrt

Auch wenn Google den attraktiven Vorschlag machte das ich doch einfach durch Taunus und Sauerland von Kelkheim nach Dortmund radeln könnte habe ich mich doch lieber für die Route entlang des Rheins entschieden - die hat wesentlich weniger Steigungen. Außerdem kenne ich den Weg schon vom vorletzten Jahr. Daher gibt es eigentlich auch wenig Neues zu berichten.

Googles sportlicher Vorschlag

…und was dann daraus wurde


Das Wetter ist sommerlich-schön und trocken und das Rad läuft gut. Die erste Etappe nach Dortmund führte mich auch Bacharach auf einen Campingplatz namens ‚Sonnenstrand‘ - für den Namen ist es hier erstaunlich schattig. Dafür sind die Mücken hier sehr zutraulich und zahlreich - eine habe ich schon umgebracht. ich werde sie Burt nennen…

Überhaupt ist diese Rückreise ganz im Zeichen des Schlagers - meine alte Bekannte, Mary Roos habe ich auch wieder getroffen.

Ich und Mary

Es wird wärmer - und Müller knittert ein bisschen bei den Temperaturen - am zweiten Tag habe ich mich Nachmittags ne Runde in den Schatten zum Pennen legen müssen. In der Konsequenz habe ich mein Wunschziel, Köln, nicht erreichen können. Ich blieb in Remagen auf dem Campingplatz ‘Siebengebirgsblick’ hängen. Das Rad hat sich im Scharnier für die Hinterradschwinge ein hartnäckiges Knarzen zugelegt das sich abhängig vom Staßenbelag etwas variiert, im Großen und ganzen aber nervig ist. Ich hab versucht, das mit Schmieröl zu beseitigen. Als Dank wurde es auf der letzten Etappe noch lauter - das riecht nach einer Wartung.

Die Strecke zwischen Köln und Solingen ist im Prinzip gut zu fahren, besteht aber in weiten Zügen aus schattenloser Betonwüste: Straßen und Bebauung gepaart mit so gut wie keinen Schatten. Gut, das es so schön warm war. Da ich wusste was mir an Steigung bevorstand habe ich in Hahn eine Pause am Straßenrand eingelegt. Dort gab es endlich einen größeren Schattenfleck. Luftmatratze raus und entspannen…

Das ging aber nicht lange gut - ich lag da zu offensichtlich rum. Nachdem das sechste Auto angehalten hatte um mich zu fragen ob es mir gut ginge hab ich das Projekt ‘Pause’ in den Wind geschossen und mich wieder auf den Weg gemacht. Komisch, während der knapp 10 Kilometer Steigung bis Vohwinkel hat mich niemand gefragt ob alles in Ordnung ist - anscheinend konnte man meine Verfassung auch ohne Fragen gut erkennen. Das durfte ich aber gern allein durch stehen.

Auf der Nordbahntrasse in Wuppertal gab’s ne Käsebrotpause - und die Erkenntnis das Käse bei warmen Wetter zwar nicht verdirbt, wohl aber seine Erscheinungsform ändert - ich muss bei der nächsten Fahrt unbedingt daran denken das ich ihn die Packung waagrecht lagere.

Einst war es ein Käse…

Was gab es auf dieser Fahrt noch für Erkenntnisse? Nun, meine Tour war ja der Prototyp einer Vereinzelungs-Reise - und sie sollte es auch bleiben. Auf den Campingplätzen wo ein Mann mittleren Alters mit Fahrrad und Zelt willkommen war bewegte ich mich noch ziemlich vorsaisonal. Die Plätze waren mit Wohnwagen und -Mobilen belegt. Die haben ja eigene Sanitärzellen. Ich hätte bei Zeltkauf vielleicht auf so was achten sollen. Erst auf den letzten beiden Plätzen gab es mehrere Zelte neben meinem. Alles hielt Abstand und wir kommunizierten auf Distanz. Gemenschelt hat da nicht viel.

Jedenfalls haben die Platz-Betreiber die an Zeltübernachtungen interessiert waren den ganzen Hygienekram recht überzeugend gelöst und die Lösungen haben auch gut funktioniert bzw. wurden sie von den Gästen gut angenommen. Über die anderen Plätze kann ich aus verständlichen Gründen nichts sagen - außer das sie an Übernachtungen nicht interessiert waren, was an und für sich schon sonderbar ist.

Ich bin mal gespannt wie sich das bis zum Herbst einpendelt - scheint ja schon spannend zu bleiben…

Abends um 20:00 war ich in Dortmund - die Klebe-Reparatur hat für 1050 Kilometer überzeugend gehalten - das mit dem Knarzen wird demnächst mal untersucht.