Luxemburg

13.08, Auf in den Taunus

13.08.
Das Geräusch von Regen auf dem Dach kann beruhigend sein - es kann aber auch unangenehme Ideen wach rufen - zum Beispiel die, das ich gleich durch eben diesen regen mit dem Rad meinen Weg fortsetzen werde.
Der Montag Morgen ist in Luxemburg bewölkt und nass. Die Wettervorhersage verspricht das die Regen zum frühen Mittag hin abklingen werden, auf meinem Weg werde ich heute aber immer wieder mit Nass von oben rechnen müssen.
Morgen Abend will ich bei einer Freundin im Taunus angekommen sein, also bleibt keine große Wahl.
Die Sachen gepackt und ans Rad geschnallt - heut kommt mir alles irgendwie schwerer vor als sonst.

Wolken über Luxemburg

Am Frühstückstisch finde ich noch ein paar Leute die von der Nacht übrig geblieben sind - Mailadressen erfragt um die Bilder des Workshops an die Menschen weiter zu leiten an die sich die Teilnehmer wenden werden um die Bilder zu bekommen.
Es gab noch ein paar andere Lebensformen von denen ich mich verabschieden konnte aber der Großteil war nach einer langen Nacht erst jetzt in die Betten gegangen.
Zu beginn der Fahrt ging es erst mal den Berg hoch - war ja klar! Aber ab da hin ging es nur bergab und bis zur Luxemburgischen Grenze schön flach am der Süre entlang. Hier, wie auch in Belgien gibt es viele Radwege und als Radfahrer hat man Vorfahrt. Es ist für jemanden der deutsche Verhältnisse gewohnt ist schon sehr irritierend wenn an Einmündungen und in ähnlichen Situationen ständig Autos auf einen warten. Man gewöhnt sich aber schnell daran - wahrscheinlich kommt an der deutschen Grenze das böse Erwachen auf mich zu.

Die alte Grenzstation bei Ralingen

Bei Ralingen überquerte ich den Fluss und die Grenze - und ab da ging’s dann auch bergauf. zwischen mir und meinem Ziel hat irgendjemand die Eifel hin geworfen, und die will jetzt überquert werden.
Mit mir am Berg will nicht so recht der Rausch der Geschwindigkeit aufkommen. Knapp eineinhalb Stunden dauert der Aufstieg auf 350 Meter. Immer schön am Rand einer Landstraße der nach ein paar Hundert Metern der Bürgersteig verloren ging. Genau so hatte ich mir meine Weg vorsgestellt. Zum Glück ist die Silhouette meines Gefährts so gewaltig das man es einfach wahr nehmen muss. Auf der Höhe angekommen bewegte ich mich auf einem mehr oder minder windigen Hochplateau mit lustigen Hügeln zu meiner Unterhaltung.

ein Orca im Wind

Am Asberg hatte sich Google bei der Routenführung ein Schmankerl überlegt - es gab keinen Weg mehr. Der hatte sich irgendwann in ein Gemüsefeld mit Hochsitz verwandelt - alles gut umzäunt, damit auch ja keine Porreestange ausreissen kann.
Ein Blick in die Karten zeigte mir das es ein paar hundert Meter weiter eine parallele Abzweigung gibt die auf meinen Weg führt - guten Mutes hin geradelt und keinen Weg gefunden. Nur einen Kante zwischen zwei Feldern wo anscheinend vor Kurzem ein Fahrzeug her gerollt ist. Sollte das mein Weg sein???
Mangels attraktiver Ausweich-Alternativen schob ich mit dem Rad zwischen den Feldern Richtung Wald. Tatsächlich mündete die Strecke auf einen Waldweg - allerdings auf einen der bestimmt schon sei Jahren nicht mehr genutzt wurde. Nur ein schmaler Trampelpfad war zwischen Laub und Aststücken zu erkennen. Ich lasse das Rad an einen Baum gelehnt stehen und laufe die Spur mit dem Navi ab. Der Pfad mündet auf eine Kreuzung die hier auch tatsächlich sein soll. Von hier aus führt ein nicht wesentlich häufiger genutzter Weg in dem Verlauf weiter wie ich ihn auch auf meiner Route nehmen soll. Ich wuchte den Orca über die Äste den Trampelpfad entlang. Ab der Kreuzung geht es bergab. Das Geröll auf dem Weg ist so grob das das Rad sich da nicht fahren lässt - aber ich kann mich rollen lassen.

Googels Liebe zu Trampelpfaden...

Von Verzweigung zu Verzweigung werden die Wege besser befahrbar bis ich nach vier Kilometern auf einen regulären Wirtschaftsweg gerate der in einer langen Gefällestrecke (natürlich mit Schlamm und reichlich lockerem Schotter) aus dem Wald heraus führt. Mit Ehrang erreiche ich einen Außenposten der Eifel-Zivilisation mit Edeka - endlich Nahrung bunkern.
Da ich heute später los gekommen bin als ich vor hatte werde ich fahren so lange das Tageslicht mit spielt. Am Himmel ziehen dunkle Wolken auf - es beginnt zu regnen. Mal mehr, mal weniger - es sollte ja so kommen.

Regenbogen - Entschädigung für doofes Wetter

In der Nähe von Neuerburg wurde es dämmrig - An einem Waldrand fand ich ein flaches Stück fürs Zelt, Taschen rein und mich dazu. Heute gibt es Käsebrote. Der große Klassiker: passt gut in die Tupperdose und hat sich in den vergangenen Tagen bei allen Temperaturen bewährt. Während ich Esse grunzt jemand draußen vor dem Eingang - ich bin hier nicht allein. Während ich mir trockene Wäsche anziehe und in meinen Schlafsack krieche schnüffelt jemand an meinem Zelt. Mal sehen wer mich noch heute Nacht besucht…

10. August - auf nach Eppeldorf

So ne Jugendherberge hat schon was Feines - Morgens noch nett ans Frühstücksbuffet und dann die Klamotten gepackt, Fahrrad aus dem Abstellraum geholt und auf den Weg gemacht.
Ziemlich auffällig: es gibt hier Steigungen - Luxemburg scheint ein eher gebirgiges Land zu sein. Es gibt immer wieder schmale Talpassagen in denen die Bahn das dominierende Verkehrsmittel ist.

die Bahn - das dominante Verkehrsmittel Luxemburgs...

Geradezu im Minutentakt fahren Güter- und Personenzüge an mir vorbei während ich den Weg nach Eppeldorf mache. Dort habe ich für mein Wochenende auf dem Festival eine Schlaf- und Anlaufstelle.
Es sollte sich herausstellen das die Idee, mit dem Zug bis Luxemburg Stadt zu fahren etwas ungeschickt war, weil ich gut meine Halbe Strecke jetzt an den Bahnhöfen vorbei komme durch die ich Gestern gefahren bin. Den Weg hätte ich mir auch sparen können. Immerhin ist die Landschaft schön.

Ländliches Idyll in Luxemburg - kurz vor Eppeldorf

Am frühen Nachmittag trudelte ich mit meinem Rad auf dem Hof von Patricia Huperti-Lippert ein, einer der Organisatoren des Festival de Beaufort. Ich hatte kaum mein Rad abgeladen, da ging auch für mich das Organisieren los. Das Paket mit dem für den Workshop benötigten Material war nicht angekommen. Ich hatte es am tag vor meiner Abreise nach Amsterdam aufgegeben. Zwei Wochen sind anscheinend zu kurz um etwas nach Luxemburg zu bringen. Trackingcode gecheckt - das Paket ist bisher nur im Paketshop registriert worden - mehr nicht! Ein Anruf bei DHL ergab die wenig Freude stiftende Auskunft das es dann wohl verschollen sei - ich möge eine Reklamation schreiben und dann werde man schauen. Wenig Hilfreich wenn man mit dem Inhalt eines Pakets einen Workshop bestreiten muss.

(Kleiner Nachrtag: DHL hatte entschieden das es die Adresse in Luxemburg, an der ich mich befand, nicht gäbe und daher das Paket an mich Zuhause zugestellt. Eine knapp 70 EUro teure Zustellung für 2 Kilometer Strecke innerhalb Dortmund)
Jetzt ist Improvisieren angesagt. irgendwie müssen Materialien zusammen geklaubt werden mit denen sich die Projektionen bewerkstelligen lassen. Ich kann mich nur über die Welle an Hilfsbereitschaft und Ideenreichtum freuen - es sieht so aus als wenn ich mit viel Frickelei den Workshop geregelt bekomme.
Aber erst mal mache ich einen Ausflug zum Festival, besuche meine Arbeit in der alten Brennerei in Beaufort und werfe einen Blick durch das Fenster des ‚Flying Dutchman‘, der Diskothek in der Morgen der Workshop stattfinden soll.

Dann ging’s erst mal auf’s Festival, rum gucken...

Dienstag, 7. August -Donnerstag, 9. August 2018 - der Weg nach Lüttich

Ich liege hinter meiner Strecke zurück und muss mich so langsam mal sputen um rechtzeitig zum Wochenende in Luxemburg zu sein. Also: mindestens 120 bis 130 Kilometer pro Tag.
Ich entschied mich zum Tuning mit Zucker und kaufte mir im Ort im Supermarkt nicht nur Proviant sondern auch ne Flasche Orangenlimo - die wurde im Verhältnis 1:1 mit dem Wasser in der Trinkflasche gemischt damit sich mein Körper weniger damit beschäftigen muss, in den eigenen Vorräten nach Energie zu suchen.
Doof halt nur, das diese Limo nicht nur ohne Kohlensäure (toll!) war sondern anscheinend auch ohne Zucker! Der erste Schluck aus dem Trinkschlauch spülte mir den deutlicher Geschmack von Aspartam in den Mund - damit werden meine Beinchen bestimmt nicht schneller :-/
Zum Glück gab’s noch das in der Hitze der letzten Tage zu einem Klotz verbackene englische Konfekt - da habe ich mir von Zeit zu Zeit was raus gepult um auf diese Art Zucker zuzuführen. Das Konzept hat dann auch funktioniert, wenn auch Orange und Lakritz nicht wirklich gut zusammen passen will…
Mein erstes Etappenziel, Rotterdam, erreichte ich am frühen Mittag.  Im Vorfeld gab es viel Bilderbuchansichten. Die Stadt selbst lag in brütender Hitze. Der Unterschied zwischen Baumbepflanzung und purem Beton war sehr deutlich zu bemerken: es war eine Frage zwischen ‚demnächst Schmelzen‘ und ‚sofort Verdampfen‘. Mein aktueller Verbrauch liegt bei 3 Litern Flüssigkeit auf 40 Kilometer.

Mein Weg durch Rotterdam sollte mich in den Randbezirken betont parallel zu Autobahnen und Ausfallstraßen führen. Besonders beeindruckend fand ich die verschlungenen Wege die mich entlang der Straßen über die Autobahnkreuze führen sollten.
Inzwischen bin ich auf die zweite Wasserflasche umgestiegen - da klappts auch mit dem Lakritzen besser.
heute gab es keine Fotoziele. ich setzte mir, das ich auf jeden Fall erst um 19:00 nach einem Campingplatz suchen werde.
Das sollte mich zu Camping Menmerhoeve bringen. Hätte ich nicht im Internet nach einem Campingplatz gesucht, hätte ich das Ding nicht gefunden. So wirklich offensive Werbung machen die Plätze hier in der Gegend nicht - noch nicht mal wenn man direkt davor steht! Hier handelt es sich um einen Bauernhof mit Restauration und angeschlossenem Campingplatz für Wohnwagen und Zelte. Alles da was man von einem Campingplatz erwarten kann und super freundliche Betreiber.

home, sweet home...

Ich war froh als mein Zelt stand und ich mich unter die Dusche schieben konnte. Danach habe ich mir Nudeln gekocht, bei der Hitze aber überhaupt keinen Hunger auf irgendetwas. Vielleicht schmecken sie mir ja morgen…

Auf dem Weg zur Nudel


Ich scheuchte die Fliegen aus dem Zelt und legte mich Schlafen. Die heutige Tagesleistung: 120 Kilometer.

In der Nacht wurde ich vom Donnergrollen wach. Draußen war’s stürmisch geworden und Blitze ließen die Wolkendecke gespenstisch Flackern. Ich schloss die äußere Zelthaut damit’s wasserdicht wird und legte mich wieder pennen - so gut wie das eben in einem anschwellenden Gewitter mit ordentlich Starkregen funktionieren kann. Das Zelt hielt dicht während Draußen alles unternommen wurde um die Welt untergehen zu lassen. Die Temperatur fiel sehr schnell, so das mit einem mal ‚im Schlafsack‘ zu einer interessanten Idee wurde.
Morgens war das Gewitter vorbei und das Zelt war von Tauben nach allen Regeln der Kunst zugeschissen worden. Vor dem Einpacken durfte ich es ordentlich Schütteln um das Zeug einigermaßen ab zu bekommen.
Bis zur Abrechnung um neun war noch etwas zeit. ich setzte mich mit meinem Frühstück ins Restaurant und schrieb ein paar Postkarten, Noch war ich ja in den Niederlanden und es gab noch einiges an gekauften Briefmarken zu verbrauchen.
Der Himmel war immer noch bewölkt, es war sehr Windig und kühl. Das erste mal das ich meine Jacke raus suchte.
Im nächsten Ort fand ich einen Briefkasten. Wie sich herausstellen sollte, der letzte vor der Belgischen Grenze. Mit lustig Gegenwind ackerte ich mich mit durchschnittlichen zehn Stundenkilometern nach Belgien zu meinem ersten Ziel.Das sollte dann auch gleich die erste Enttäuschung sein: Auf dem Gelände befindet sich jetzt eine Reha-Klinik und das verlassene Schloss wird gerade fleissig abgerissen - doofe Sache, da bin ich wohl zu spät.
Vielleicht schaffe ich es ja heute noch zu meinem zweiten Ziel. Nach einer kurzen Frustrationspause setzte ich mich wieder in den Sattel und trat ordentlich in die Pedale. In einem Supermarkt besorgte ich mir ne ‚richtige‘ Limonade und gab dann ordentlich Kniegas.

Bis Antwerpen gab's noch Gegenwind, dann änderte sich meine Bewegungsrichtung so das ich den Wind im Rücken hatte und die Strecke führte lange Zeit entlang eines Kanals. Traumhafte Geschwindigkeiten waren das Ergebnis - und eine echt gute Stimmung bei mir.
Noch bei gutem Tageslicht erreichte ich Leuwen. Dort soll auf einem Rangiergleis der sogenannte Orientexpress stehen. Das Gelände war menschenleer aber der Zug war tatsächlich da. Obwohl, Zug ist wahrscheinlich schamlos übertrieben - es handelt sich um einen Waggon: Steuerkopf und ein Grossraumabteil mit üppig gepolsterten Sitzen - jetzt allerdings aufgeplatzt und vor sich hin rottend - wie leider auch der gesamte restliche Wagen. Es wurde ordentlich Scheiben eingeschmissen und randaliert. Von der ehemaligen Pracht dieses wirklich schön designten Triebwagens war nur noch eine rostig-verbeulte Ahnung übrig.

Ich machte das Beste aus der Situation und suchte mir danach einen Campinglatz in der Nähe. als ich kurz vor acht dort ankam sollte sich der Platz als reiner Trailerpark herausstellen. Die Betreiberin ließ sich aber beknien das ich auf einer freien Parzelle für eine Nacht mein Zelt aufstellen konnte. Leider kein funktionierendes Waschhaus aber ich fühlte mich besser als irgendwo in den Büschen. Tagesstrecke: 117 Kilometer.

8.August: Heute soll es nach Lüttich und darüber hinaus gehen.

Für heute war Regen angekündigt der zuverlässig eine Stunde nach Aufbruch auch einsetzte. Erst als Nieselregen mit kleinen Pausen, gegen Mittag dann auch gern mal als Wolkenbruch mit anschließendem Landregen. So richtig Spaß macht das nicht. Wenn ich nicht am Wochenende feste Termine hätte würde ich mir einen Campingplatz suchen und mich in meinem Schlafsack verkriechen.
Aber so ging es weiter. Die Wolkenbrüche verbrachte ich in glücklicherweise gefundenen Hauseinfahrten oder Bushaltestellen. Mein führte mich durch ein großes Obstanbaugebiet.
Mit zwei Stunden Zeitverlust trudelte ich in Lüttich ein. Die Stadt liegt am ende einer ziemlichen Gefällestrecke und hat so gar nicht viel von Fahrradfreundlichkeit. Bei den meisten Straßen sind keine Radspuren markiert und auf den Bürgersteigen geht’s auch nicht. Also. Abenteuer im Feierabendverkehr!

Das Navi hat im Lauf des Tages die Wegmarken aus seiner Erinnerung gelöscht. Wo sind denn jetzt meine Ziele in der Stadt. Zum Glück weiss ich ungefähr wie die Gegend dort aussehen soll.
Lüttich sollte sich als Reinfall herausstellen - um das unterirdische Bahndepot zu betreten hätte man sich eine Brechstange und Dunkelheit mit bringen müssen und das alte Kino im Stil der Sechziger wurde gerade abgerissen - heute gibt es Frustrationsmomente - und schlechtes Wetter in rauen Mengen. Ich entschloss mich zum Schummeln und verfrachtete mich und mein Rad in den Zug nach Luxemburg. Immerhin muss ich morgen in Eppeldorf eintreffen - Samstag und Sonntag ist Workshop angesagt. Der Bahnhof ist ein echter Repräsentanzbau - steht im krassen Gegensatz zu den abgewirtschafteten Zügen der Belgischen Bahn und zu der in der Stadt deutlich wahrnehmbaren Armut.
Fahrradmitnahme und Buchung war kein Problem - man muss dazu bereit sein, sich und sein Rad eine Einstiegstreppe hoch zu werfen - das mit dem Bahnsteig auf Höhe der Zugtür war jetzt nicht so… Die knapp zweieinhalbstündige Zugfahrt führte mich durch reichlich schlechtes Wetter. In Luxemburg Stadt kam ich um halb elf an einen recht verwaisten Hauptbahnhof an. Wer dort noch unterwegs war hatte es eilig zu seinem Zug zu kommen oder beschäftigte sich mit Drogenverkauf - eigentümlicherweise sahen diese Leute genau so aus wie die Zuhause in Dortmund - ob man die für mich Luxemburg verfrachtet hat damit ich mich etwas heimischer fühle?
Egal - jetzt gab es nur noch ein Ziel: die Jugendherberge und dort ins Bett!