Prahljust

Montag 10.07. - wie ich es gerade mal bis Osterode schaffte….

In der Nacht hat es geregnet - es ist schön in einem Zelt zu liegen und dem Geräusch der Wassertropfen zu lauschen. Als ich Morgens wach wurde war das Wetter trocken und mir gelang der auf dieser Reise erste, ziemlich koordinierte Aufbruch in den Tag. So schnell war das Rad noch nie mit Taschen behangen und Abreisefertig.
Nach den Erfahrungen von Gestern habe ich mir vor genommen, den Weg nach Braunlage nach Straße zu fahren.
nach kurzer Zeit traf ich auf einen künstlichen Damm der Wasser führte - der Sperberhaier Damm war vor gut 300 Jahrenunter enormen Anstrengungen angelegt worden um das Wasser zu den Gruben im Bereich Clausthal zu führen.

Sperberhaler Damm

Eigentlich hätte ich entlang dieses Damms meine Strecke fortsetzen können und so die Fahrt durch die Senke vermeiden können, der die Straße folgte. Aber machmal hat man eben ein Brett vor dem Kopf. Als ich am anderen Ende der Senke angekommen war meinten meine Beine jedenfalls das das eigentlich erst mal genug gewesen sei - also kurz Verschnaufen.
Wie aus dem Nichts war da plötzlich dieser Mensch mit dem VW-Bus der auf dem Parkplatz nah bei hielt um mich in ein Gespräch über Liegeräder zu verwickeln. er hatte in dem Wagen ein Dreirad mit Elektrounterstützung das er sich zum Testen übers Wochenende ausgeliehen hatte.
Er erzählte mir davon das man diesem Wasserlauf quasi ohne Steigungen bis kurz vor mein Tagesziel folgen könne. Er selbst sei am Wochenende Abschnitte dieses Weges gefahren und es sei toll gewesen. Mit meinem Rad sei das sicher noch einfacher als mit einem Dreirad. Schließlich bräuchte ich keine so breiten Spur. Das hat mich überzeugt. Ich machte mich also daran, diesem Weg zu folgen.
Er ist in der Tat eben, aber in dem Abschnitt den ich befuhr wimmelt es von Steinen und Baumwurzeln die es mit dem Rad zu überwinden gilt. Insbesondere die Baumwurzeln sind tückisch. Von Feuchtigkeit glitschig rutscht auf ihnen das Rad zur Seite weg ohne das man das kontrollieren könnte. Auf der einen Seite ist der Wasserlauf, auf der anderen der Abhang - schon eine spannende Sache mit einem voll beladenen Rad. Aber Landschaftlich war’s echt ne Wucht - und allemal schneller als die Trauma-Steigung von Vorgestern. Doof nur, das der Traum vom ebenen fahren ein par Kilometer später vorbei war - da hatte jemand ein paar Treppen eingebaut - da hatte ich irgendwie keine Lust mehr auf holprigen Baumwurzelweg.

Ich durchforstete die Karte nach meinen Optionen. Viele gab es nicht. So folgte ich dem am besten befahrbaren Weg ins Tal - wohl wissend das ich das alles wieder hoch fahren muss.
Auch dem Weg nach unten fing es an zu Schütten - und es wollte auch nicht mehr damit aufhören. Im schönsten Regen kam ich in Osterode an und sah dort einen Hinweis auf den Campingplatz Eulenburg - der sollte es sein!
Im Strömenden Regen das Zelt aufgebaut und die Taschen in die Ecken geworfen. irgendwie ist es mir gelungen die Isomatte und den anderen Kram so in das Zelt zu bekommen das es nicht nass wurde. Ich selbst habe mich den restlichen Nachmittag in die Restauration des Campingplatzes gesetzt, den Blog aufgeräumt und Sozialstudien bei der Campingplatzbesatzung angestellt während ein Schauer nach dem anderen runter ging. Sie haben auf dem Platz einen Freifunk-Zugang der zwar erwartungsgemäß nicht schnell ist,dafür aber zuverlässiger funzt als der Funk in Prahljust. Dort gibt einen Hotsplotz-Zugang, der so gut wie keinen Upload ermöglicht.

Sonntag, 09.07.2017: Clausthal-Zellerfeld und die Tanne

Als ich auf dem Platz ‚Oberste Innerste‘ meine Sachen zusammen packte lag der Ort noch weitgehend im Tiefschlaf. Ich habe es heute zwar nicht weit aber mir winkt das erste Foto-Ziel. Also möchte ich keine Zeit verlieren. Zur Sicherheit noch mal frisches Wasser gefasst und los gestrampelt.

Nicht weit von dem Platz kam ich an einem ‚Christlichen Zentrum‘ vorbei - hier haben sich die Evangelikalen in einem ziemlich stattlichen Gebäude eingenistet. Interessanterweise steht oben an der Landstraße nur noch der hinweis auf die ‚Flambacher Mühle‘ und nicht etwa der zu einem ‚Christlichen Zentrum‘. Von jedem gefunden werden möchte man dann doch nicht.
Nach 20 Minuten war ich in Clausthal-Zellerfeld angekommen. Gestern Abend fühlte sich das noch unendlich weit an. Das Ziel des Tages heisst ‚Sprengstoff-Fabrik Tanne‘
Man hatte diese Produktionsstätte in aller Heimlichkeit im Vorfeld des zweiten Weltkriegs im Harz angelegt. Die Gebäude der Fabrik haben Dächer die die Gebäudestruktur verschleiern und sind zudem noch bewachsen, so das man sie mit der Technik der damaligen Luftaufnahmen nicht hätte sehen können. Der Ort war nicht zufällig gewählt. Der Harz war mit den damaligen Bombern für die Alliierten nicht zu erreichen gewesen, genauer: die Flugzeuge hätten nach der Bombardierung eines Ziels im Harz nicht genug Sprit gehabt um wieder zurück zu fliegen.
Die Produktion an Sprengstoff war enorm und die Arbeitstaktung für die Zwangsarbeiter hoch. So kam es hier zu einer verheerenden Explosion die mehrere Gebäude schwer beschädigte. Mit dem Näherrücken der Front an Deutschland wurde gegen Ende des Krieges die Fabrik dann doch bombardiert.


Das Werk ‚Tanne‘ liegt an einem Industriegebiet bei Clausthal-Zellerfeld und ist umzäunt. meine Fahrradroute würde übrigens quer über das Gelände weiter zum nächsten Ziel führen - das lässt interessante Erlebnisse in den nächsten Tagen befürchten. Ich habe mir ein lauschiges Plätzchen für mein Rad gesucht und mich mit der Fototasche auf die Suche nach einem Durchschlupf gemacht. Es gab eine ausgeleiterte Stelle im Zaun durch die auch ein minder begabter Fotokünstler mit seiner Ausrüstung durch passt. Dann stapfte ich mit meinen Sachen durchs Unterholz. Es dauerte nicht lange, da stand ich schon vor den ersten Gebäuden. Sie ließen an Bruchigkeit nichts zu wünschen übrig. Ich habe über drei Stunden auf dem Gelände verbracht - quasi hinter jedem Baum stand ein neuer Betonklotz, mit Fichten bewachsen und tat so als wenn er nicht da sei.
Es gibt einen Bereich der so aussieht als wenn da mal die Explosion stattgefunden hat. Eine der Hallen ist hier teilweise eingestürzt, der Rest als Trümmer in der Umgebung verstreut. Das ganze Gelände ist von üppiger Vegetation überzogen - Haldenbegrünung oder eben Unterholz mit dicken Moos-Schichten, Die wilden Erdbeeren sehen hier besonders verführerisch aus. Man sollte sie aber nicht pflücken denn das Gelände ist hochgradig mit Giften aus der Sprengstoffproduktion belastet und hat der Gemeinde eine unerwartet großes Grundwasserbelastung hinterlassen. Wie es aussieht sind Teile der Gebäude nach dem Krieg weiter genutzt worden bzw. werden auch heute noch durch Industrie genutzt. Besonders süß war da eine der Baute, als Wohngebäude in DDR-Manier Fassadendekoriert - bombensicher Wohnen kann auch so aussehen…
Auch hier war es nur eine Illusion, das ich mich auf einer umzäunten Ansammlung von bruchigen Gebäuden allein aufhalten würde. Es machte so den Eindruck als wenn die halbe Welt unterwegs sei um Bekannten die Bauten zu zeigen oder den Hund zu lüften. Wo die sich wohl über den Zaun geschmissen haben?
Ich, jedenfalls konnte mich wieder gepflegt unter dem Zaun durch schieben und ein Wiedersehen mit meinem Reisemobil feiern. Meine Beine geben mir schon den ganzen Tag zu verstehen das sie mal ne Pause brauchen - ich steuere den Campingplatz an den ich eigentlich schon gestern Abend hätte erreichen wollen.So übernachte ich heute also bei Camping Prahljust, ganz nobel mit Wamrwasser-Hallenbad, Sauna, so viel Duschen wie ich nur essen kann, ner Steckdose neben meinem Zelt, und, und, und… die Besatzung des weitläufigen Platzes steht diametral zu der von letzter Nacht. Hier möchte niemand autark einen alternativen Lebensstil leben…