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Donnerstag, 22.08.24 - als Gefahrensucher unterwegs

Ich hatte mich gestern in eine Falle manövriert - der Weg zu der lauschigen Wiese auf der ich meine Nacht verbracht hatte war ein Feldweg, der so reichlich geschottert war das ich, als es mir auffiel, nicht hätte umdrehen und wieder zurück fahren können. Durch den Schotter ist die Bodenhaftung des angetriebenen Rades quasi nicht vorhanden. Der einzige Weg weg von dieser Wiese, zurück in die Zivilisation, ist ein quasi zugewachsener Hohlweg, der nur wenig breiter als mein Anhänger ist. Ich habe ihn gestern Abend abgegangen und Totholz weg geräumt das den Weg blockiert. Außerdem habe ich gecheckt ob die Büsche an beiden Seiten des Wegs flexibel genug sind um mich mit meinem Gespann durch zu lassen. Nicht, das das etwas an der Route geändert hätte, aber es macht ein gutes Gefühl, sich so was vorher noch mal anzusehen. Ich habe die komplette Strecke bis zur Bundesstraße abgegangen um mir einen Eindruck davon zu machen wie ich sie am besten bewältigen könnte. Mit viel Umsicht sollte es machbar sein.

Die Strecke habe ich mit meinem Gespann quasi im Schritttempo zurück gelegt. Ständig mit allem bremsend, was zu Hand war. Die Gefällestrecke, die sich dem Hohlweg anschloss war nicht minder spassig. Zwar nicht zugewachsen, aber mit Steinen unterschiedlichsten Kalibers ‚geschottert‘. Man kann auch sagen: mit Geröll gedeckt. Ein Starkregen hatte diesen Weg zur Hälfte weg gespült und tiefe, den Weg querende Rinnen hinterlassen, die es schwierig machten, darin nicht mit den Rädern hängen zu bleiben.

Zum Glück konnte ich das alles überwinden ohne das es zu Katastrophen kam. Ich hatte diese Strecke kurzfristig geplant ohne sie genauer unter die Lupe nehmen zu können - das war das Ergebnis!

Glücklich in Benterode angekommen klingelte ich bei einem Haus an der Tür um darum zu fragen das man mir meine Flaschen mit Wasser befüllt. Interessante Gegenfrage: ‚wirklich Leitungswasser oder soll ich ihnen besser richtiges Wasser geben‘ - nun, ja…

Willkommens-Graffitti in Eichsfeld

Ab Martinfeld folgte der Radweg der Werra bzw. dem ehemaligen Grenzverlauf. Im Gedenken an diesen geschichtlichen Bezug gab es diverse Hinweistafeln und Denkmäler zu besuchen. Da in Thüringen bald Wahlen sind konnte ich in den entsprechenden Orten diverse Level von inhaltsleeren Plakaten bestaunen - wobei tatsächlich SPD und Grüne sich noch zu konkreten und sinnvollen Botschaften hinreisen ließen. Den Rest konnte man von den Aussagen her komplett vergessen - Motto ‚sie kennen mich…‘

Hinter Frankenroda war die Brücke über die Werra gesperrt. Da bin ich bis Mihla auf der Landstraße gefahren. Hinter Mihla wurde noch mal die große Tüte Steigungen hervor gezaubert. Zwischen Bischofroda und Eisenach gibt es einen Höhenzug zu überwinden. Die Straße dort hoch hatte es in sich. Danach ging es nur noch bergab.

Mein heutiges Ziel: ‚Camping im Garten‘ - ein kleiner Campingplatz in Hötzelsroda liegt ganz in der Nähe von Eisenach. Hier habe ich ein sonniges Plätzchen auf der Wiese gefunden. Der Anhänger steht gut im Licht, so das er die Batterien während meine Aufenthalts gut aufladen sollte.

Das Velostudio, optimal zur Sonne ausgerichtet bei 'Camping im Garten' in Hötzelsroda bei Eisenach

Montag, 12.8.24 - stirb wo Du willst (auf dem Weg nach Kassel)

Heute habe ich den frühen Wurm gemacht und rollte bereit um acht mit meinem Gespann vom Platz - es geht Richtung Kassel. Ich bewege mich auf der ursprünglich geplanten Route und schau mal was so geht, mit der Ersatz-Schaltung. Ich muss mich auf einen höheren Stromverbrauch an Steigungen einstellen da die zur Auswahl stehenden Zahnräder keine so hohe Übersetzung bieten wie die kaputte Schaltung. Daher komme ich an der einen oder anderen Stelle schnell mal auf 1000 Watt Unterstützung UND kann dazu noch fest in die Pedale treten.

kleiner Bremsentest gefällig? Um den Nervenkitzel zu erhöhen befindet sich am Ende des Gefälles eine 90 Grad Kurve…

Speziell die Radweg gekennzeichneten Strecken halten in Hessen die eine oder andere Überraschung bereit - zwar ist ein Großteil von Weser- und Fulda-Radweg geteert und im Prinzip gut befahrbar, aber der Unwillen zur Wege-Pflege ist ganz gut zu erkennen. Mit reichlich aufgestellten Schildern wird auf Schäden der Wegdecke, Verunreinigungen, Nässe und Rutschgefahr aufmerksam gemacht. Mein Liebstes sind die ‚Radfahrer Absteigen‘ Schilder, die im Wesentlichen auf ein Gefälle hin weisen bei dem man u.U. sein Fahrrad nicht mehr kontrollieren kann. Die Wege mit den größten Herausforderungen in punkto Gefälle sind natürlich unbefestigt und geschottert. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, konsequent auf die Straße zu wechseln wenn ich einen knapp ein Meter breiten, geschotterten Pfad als Radweg verkleidet im Dickicht einer Mittelgebirgslandschaft verschwinden sehe.

Was findest Du geiler? Dich auf einer geschotterten Berg- und Talbahn mit Deinem Rad auf die Fresse legen oder auf der Bundesstraße von einem Zwölfachser überrollt werden?

In Hann Münden habe ich - aus Gründen - Ballast abgeworfen. In meinem Anhänger führe ich Dinge mit die ich überhaupt nicht brauche - drei Campinghocker für einen Hintern - eine batteriebetriebene Nostalgielaterne und noch so verschiedenen anderen Firlefanz. Da habe ich bei der Post in Hann Münden einen großen Versandkarton gekauft und den ganzen Plunder an mich zuhause geschickt. Sehr fröhlich-entspanntes Personal in der Post, die praktischerweise gleich im Bahnhofsgebäude liegt.

Wir sind zu schwer - Ballast abwerfen bei der Post in Hann Münden

Dann habe ich die Fundamentreste der ehemaligen Weserumschlagstelle in Hann Münden besucht. Es stehen heute nur noch die Säulen und Bögen aus Naturstein - früher ruhte darauf ein Verladekran der auf Schienen lief und ein mehrstöckiges Fachwerk-Gebäude das allerdings in den nuller Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. Mein aktueller Wissensstand ist das das Gelände nun in privater Hand ist und auf dem historischen Unterbau in Bälde ein Hotel errichtet werden soll.

die Fundamente der ehemaligen Weser Verladestelle

Ich war kaum mit meinen Fotos fertig, da näherte sich mir ein weisser Transporter mit jemandem der für die Sicherheit des Geländes verantwortlich ist. Gut das ich schon fertig war - ich konnte meine ordentlichen Absichten beteuern und machte mich vom Acker. Lustig ist, das die Strecke entlang der Ruine als Radweg gelistetet wird, was der Mensch auf des vehementeste bestritt. Ich packte meine Sachen zusammen während er den Wagen wieder vom Gelände bewegte. Hinter mir lief ein Jogger vorbei - dicht gefolgt von zwei Mädchen auf e-Rollern und kurz darauf ein Schuljunge auf einem Fahrrad. Ich kann jetzt den leicht verzweifelten Unterton des Menschen bei unserem Gespräch nachvollziehen…

Vor meiner Weiterfahrt habe ich noch die Eisdiele in der Hann Mündener Fussgängerzone besucht - ein Ort, der durchaus mit leer stehenden Geschäften glänzt. Darüber kann auch nicht die reichlich restaurierte Fachwerkarchitektur hinweg täuschen.

Von hier aus geht es die Fulda weiter Richtung Kassel - die Temperaturen hauen jetzt ziemlich rein - solange ich entspannt radeln kann streicht mir immerhin sowas wie ein kühler Wind über die Haut. Aber sobald es an Steigungen geht und die Geschwindigkeit nachlässt, hört der Spaß auf - Es ist einfach brütend heiss. Schade nur, das entlang der Strecke zwar reichlich Bänke und Liegemöglichkeiten aufgestellt sind, aber kaum welche davon sind beschattet. Da möchte sich niemand drauf aufhalten.

Wer sich Kassel nähert merkt dies am ehesten an den auffällig zahlreichen Rampen zur Überwindung von Straßen und Bahnlinien, die durchaus alpinistischen Feeling in die Tour bringen. Von der Tageszeit her wurde es mal Zeit, einen Campingplatz zu suchen. Es sollte der in den Fulda-Auen werden. Der Weg führte mich entlang autobahnähnlicher Ausfallstraßen und interessanter Baustellensituationen zu meinem Ziel - gottseidank passte mein Gespann überall durch.

Auf dem Campingplatz Temperaturen zum Schmelzen - Entspannung brachte erst der Abend.